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Berlin: Ein bisschen Frieden

Bei der „Echo“-Verleihung im ICC zeigten sich die Stars der Musik-Szene diesmal von ihrer besonders engagierten Seite. Auch Minderheiten wurden gefeiert

Es war wie eine Fortsetzung der Friedensdemo vom Nachmittag mit anderen Mitteln. Die Girlband „No Angels“ kam mit „No War“-T-Shirts auf die Bühne des ICC, Robbie Williams sang von der Decke einschwebend „Give Peace a Chance“, ein junger Rasta-Mann namens Mellow Mark, dessen Kassenschlager „Revolution“ mit dem „Echo“, dem Preis der Deutschen Phonoakademie, ausgezeichnet wurde, streckte die Faust in die Luft und brüllte: „Power to the People!“ und andere Parolen aus dem Umstürzler-Nähkästchen. Joy Denalane sang ihr Lied „Im Ghetto von Soweto“, Helge Schneider nur von sich selber begleitet „Tu’ ma lieber die Möhrchen“ und Nena dankte sich selbst für den „Echo“.

Und es war eine krude Mischung bei dieser Pop-Vollversammlung in dem großen Saal, wo nicht wenige Zuschauer nach zwei Stunden Preismarathon die Tischchen an den Sitzreihen ausklappten, um ein wenig für die anschließende Party vorzuschlafen. Nur bei Herbert Grönemeyers zahllosen Auftritten (zum Schluss sagte er: „Ich hab’ die Dramaturgie dieses Abends nicht gemacht. Tut mir leid, dass ich schon wieder da bin.“) waren alle hellwach. Denn auch Grönemeyer zeigte sich kämpferisch: Er rang mit den Tränen, weil er nicht nur mit Preisen, sondern auch mit stehenden Ovationen geehrt wurde.

Endlich bekamen die Kastelruther Spatzen nicht nur einen Echo (zum neunten Mal), sondern auch tosenden Applaus (zum ersten Mal). Sonst hatte die Mehrheit der popbegeisterten Gala-Gäste sie immer ausgebuht. Diesmal leistete Laudator Patrick Lindner, der später auf der Party lange mit Klaus Wowereit plauderte, einen flammenden Redebeitrag für die Minderheit und die Existenzberechtigung der volkstümlichen Weisen.

Kein Echo war für die RTL-„Superstar“- Azubis drin, doch das Moderatoren-Duo Frauke Ludowig und Oliver Geissen konnte die Gruppe um Dieter Bohlen schon jetzt aufs nächste Jahr vertrösten. Der Auftritt der „Superstars“ sollte das glamouröse Schlusslicht der Veranstaltung sein. Doch mit dem Durst der Zuschauer hatten die Veranstalter nicht gerechnet: Noch während des Auftritts von Daniel und Co. verließ die knappe Mehrheit der Zuschauer den Hörsaal in Richtung Funkturm-Palais.

Dort stieß dann ein Mann im mit „Cuba, Germany, Libya“ bedruckten Sakko mit Elmar Brandts Kanzler-Gummipuppe an, und tief dekolletierte Damen schwenkten aufmüpfig ihre Louis-Vuitton-Täschchen, die sie zu Hause mit Peace-Zeichen bepinselt hatten. Es war eben eine durch und durch friedvolle Veranstaltung.

Esther Kogelboom

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