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Gefährliche Arbeit. In Neuhausen wird Munition geborgen. Foto: Helbig/dpa

© dpa

Berlin: Ein Bombengeschäft

Nach der Explosion zweier alter Minen sucht man in Neuhausen weiter nach brisanten Kriegsrelikten.

Neuhausen - Die Anspannung des Baggerfahrers ist nur zu erahnen. Geschützt hinter Panzerglas, den Boden des Führerhauses mit dicken Stahlplatten gesichert, dirigiert er den langen Hydraulikarm, um aus dem schon vier Meter tiefen Loch an der Dorfstraße von Neuhausen die Erde Schicht für Schicht mit einem Wasserstrahl herauszuspülen. Immer wieder lässt er mit einer an seinem Spezialfahrzeug montierten Metallsonde den Boden absuchen.

„Wir müssen hier mit zahlreichen Minen aus dem Krieg rechnen“, sagt Mario Büchner, Truppführer des Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Wie seine drei Kollegen beobachtet er das Geschehen aus sicherer Entfernung auf einem Bildschirm. „Die Arbeiten sind zwar hochgefährlich, aber bei einer Detonation würde der Baggerfahrer aufgrund der besonderen Sicherung unverletzt bleiben.“

Auf Büchners Erfahrung vertrauen auch die zwölf Bewohner von zwei Mehrfamilienhäusern in der Nähe. Während der Munitionssuche am Tag müssen sie ihre Wohnungen verlassen, erst bei Einbruch der Dunkelheit kehren sie zurück. „Zwei Erdwälle bewahren die Häuser vor Schäden bei einer möglichen Selbstdetonation. Die Menschen können beruhigt schlafen“, versichert der Truppführer.

Dennoch ist in dem Ort bei Cottbus an ein normales Leben momentan nicht zu denken. Am Mittwoch voriger Woche wurde bei einer Detonation die halbe Straße aufgerissen, wenige Tage später folgte eine zweite. Nachdem sich der Verdacht auf eine Gasexplosion nicht bestätigte, rückten Munitionssucher an. Sie fanden zwei sogenannte Riegelminen der Wehrmacht – Metallkästen mit je vier Kilo Sprengstoff, einen Meter lang, 15 Zentimeter hoch und tief.

Wie sich herausstellte, müssen Einwohner und Soldaten am Kriegsende aus Angst vor der anrückenden Roten Armee zahlreiche Riegelminen in einem Bombentrichter vergraben haben. Dieses hochexplosive Loch mitten im Ort geriet in Vergessenheit, so dass darüber eine Straße gebaut und 1989 sogar eine Wasserleitung verlegt wurde. „Der genaue Verlauf der Leitung war uns aber nicht bekannt“, sagte Neuhausens Bürgermeister Dieter Perko (CDU). „Deshalb konnten wir den Baggerfahrer nicht warnen.“ Dieser hatte am Montag bei der Minensuche unabsichtlich diese Leitung zerstört. Erst am Mittwoch konnte eine Ersatzleitung in Betrieb gehen.

„Wahrscheinlich verrotten die Sicherungsteile der Minen“, glaubt Bombenexperte Büchner. „Das würde die Selbstdetonationen erklären.“ Man vermute nur noch wenige dieser Minen in der Brandenburger Erde. Die meisten seien wohl während der Kampfhandlungen explodiert.

Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) wies bei einem Besuch in Neuhausen am Mittwoch erneut auf die starke Munitionsbelastung großer Landesteile hin: „380 000 Hektar gelten als Flächen mit hohem Munitionsverdacht, 80 000 Hektar sind ganz gesperrt.“ Jährlich würden für die Bergung von Bomben, Granaten und Minen zehn Millionen Euro ausgegeben, wovon die Hälfte auf Oranienburg entfalle. Die Kosten in Neuhausen dürfte der Bund tragen, handele es sich doch im Unterschied zu den vorwiegend amerikanischen Bomben in Oranienburg um „reichseigene Munition“.

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