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Berlin: Ein Bülle im Üntergründ

GAZETELER RÜCKBLICK Von Suzan Gülfirat Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen. „Böswillige Anzeige“, schrieb die Tageszeitung Milliyet am Dienstag in großen Buchstaben auf der Titelseite ihrer täglichen Europabeilage.

GAZETELER RÜCKBLICK

Von Suzan Gülfirat

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

„Böswillige Anzeige“, schrieb die Tageszeitung Milliyet am Dienstag in großen Buchstaben auf der Titelseite ihrer täglichen Europabeilage. „Die Anzeige zu einem Film, der den Titel ,Alles getürkt‘ trägt und am Donnerstag in Deutschland ausgestrahlt wird, hat zu heftigen Protesten geführt“, berichtete die Zeitung in den Unterzeilen. Die Milliyet beklagte in dem bebilderten Aufmacher eine Werbeanzeige der Produktionsfirma von „Alles getürkt“, die in den Wochenmagazinen Stern und Focus geschaltet war. Der Tagesspiegel hatte ein Porträt über die weibliche Hauptdarstellerin, Türkiz Talay, gebracht und auf den Film, der deutlich als Liebeskomödie angekündigt war, hingewiesen.

Auf dem Plakat ist der männliche Hauptdarsteller des Films, Bürger Lars Dietrich, in einem grünen T-Shirt mit der Aufschrift „Pülizei“ zu sehen. Er trägt Perücke und Schnauzer in Schwarz. Am unteren Ende des Plakats ist folgende Zeile zu lesen: „Ein Bülle im Üntergründ. Das Pro Sieben Müvie in Erstausstrahlüng.“ Die Milliyet beschrieb das Plakat so: „Der Polizist, der versucht, wie ein Türke auszusehen, schaut wie ein ,Bekloppter’. In dem Filmtitel kommt das Wort ,getürkt’ vor, was im Deutschen als Synonym für Betrug benutzt wird. Im Untertitel der Anzeige kommt der Buchstabe ,ü’, der für deutsche Ohren komisch klingt, sehr häufig vor.“

Die Milliyet hat über „zahlreiche Türken“ berichtet, die in der Redaktion angerufen und die Anzeige als türkenfeindlich bezeichnet hätten. „Das hat nichts mit künstlerischer Freiheit zu tun“, hätten sie zuhauf gesagt. In der Zuschauerredaktion von Pro Sieben ist dagegen keine einzige Beschwerde eingegangen, nachdem der Film im Fernsehen lief. „Ganz im Gegenteil. Die Reaktionen waren durchweg positiv“, sagte die verantwortliche Redakteurin für den Film, Silke Bernhardt, dem Tagesspiegel. Viele Anrufer hätten nach der DVD-Version des Films oder nach Postern gefragt. Dass keine Beschwerden kamen, führt sie auf die Regisseurin Yasemin Samdereli zurück. „Wir sind froh, dass sie türkischstämmig ist. Wer weiß, wie die Reaktionen sonst ausgefallen wären“, sagte sie.

Trotz aller Kritik haben den Film 2,16 Millionen Zuschauer gesehen. Das entspricht einem Marktanteil von 8,8 Prozent (zum Vergleich: Thomas Gottschalk hatte mit „Wetten dass …?“ fast 50 Prozent). Wie viele türkische Zuschauer darunter waren, kann allerdings niemand sagen. Die Einschaltquoten werden repräsentativ für mehr als 84 Millionen TV-Zuschauer (zu denen auch die knapp zwei Millionen Zuschauer mit türkischem Pass zählen) in 5000 Haushalten von der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg gemessen. Eine „Quotenbox“ haben jedoch nur Deutsche und EU-Ausländer.

Wer selbst urteilen will, ob „Alles getürkt“ türkenfeindlich ist, kann das am heutigen Montag tun. Der Film wird um 11.15 Uhr wiederholt.

Suzan Gülfirat

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