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Berlin: Ein Bündnis für mehr Toleranz

Bezirk Spandau reagiert auf rassistischen Überfall

Antoine I. hat am Sonntag einen Anruf von Konrad Birkholz (CDU) erhalten. Der Bürgermeister entschuldigte sich im Namen aller Spandauer für den Angriff, den vier junge Männer aus dem Bezirk in der Seegefelder Straße auf den farbigen US-Amerikaner und seine Freundin verübt hatten. Derartige Übergriffe seien im westlichsten Stadtbezirk zwar eher selten, doch gibt es auch hier nach Angaben von Kommunalpolitikern verstärkt rechtsradikale Tendenzen.

„Ein Einzelfall ist das wahrlich nicht“, sagt Ex-Bezirksbürgermeister Werner Salomon. Er ist Initiator des runden Tisches für Demokratie und Toleranz, einem überparteilichen Bündnis gegen rechtsradikale Tendenzen. Seine Mitstreiterin Susanne Pape, eine pensionierte Schulrätin, spricht vom dritten ihr bekannt gewordenen Übergriff in einem längeren Zeitraum. Zuletzt war Ende Dezember vergangenen Jahres ein aus Nigeria stammender Zeitungszusteller attackiert worden, so wie jetzt der Amerikaner in der Seegefelder Straße. Hier findet man gutbürgerliche Wohnsiedlungen, in den Querstraßen aber verstärkt rechtsgerichtete Aufkleber und Schmierereien.

Hier liegt auch der Spandauer Bahnhof. In dessen Umfeld kommt es besonders abends zu ausländerfeindlichen Pöbeleien, so Raed Saleh. Meist würden die Betroffenen keine Anzeige erstatten. In der Neustadt gibt es Gaststätten, wo sichtbar ist, das Migranten dort nicht erwünscht sind, so der aus Palästina stammende und in Spandau aufgewachsene SPD-Abgeordnete. Und in Staaken würden verstärkt rechte Kameradschaften aus Brandenburg für sich werben.

„Heute wird auf den Straßen weniger diskutiert und schneller zugeschlagen“, hat Antoine I. festgestellt, der seit 1995 in Spandau lebt. Damals wäre es noch unvorstellbar gewesen, von 16-Jährigen überfallen zu werden, so der 34-Jährige.

Bereits 2004 hatte Innensenator Ehrhart Körting mit dem Falkenhagener Feld, Neu- und Wilhelmstadt sowie der Wasserstadt Oberhavel vier Krisengebiete in Spandau ausgemacht. Sozialstadtrat Martin Matz (SPD) spricht angesichts hoher Arbeitslosen- und Hartz IV-Empfängerzahlen von einem generellen Problembezirk. In diesem Frühjahr erklärte die Polizei die Siedlung Heerstraße-Nord zum gefährlichen Ort. Hier und im Falkenhagener Feld wurde ein Quartiersmanagement eingerichtet.

Laut Polizei stagniert die Jugendgewalt im Bezirk und hat meist keinen politischen Hintergrund. Dort wo gezielte Gegenarbeit stattfindet, gehen die Fallzahlen zurück. Wie in der Neustadt, wo Raed Saleh die Aktion „Stark gegen Gewalt“ initiierte, bei der Polizisten und Jugendliche gemeinsam auf Kiezstreife gehen. Bereits letzte Woche hatte der runde Tisch die Vorsitzenden aller BVV-Parteien angeschrieben. Ziel ist eine Gemeinschaftsaktion insbesondere zur Aufklärungsarbeit an Schulen. „Das ist eine Sache aller demokratischen Parteien, da kann sich keiner wegducken“, so Werner Salomon. „Man muss um jeden Jugendlichen kämpfen“, sagt Raed Saleh unter Hinweis auf die jüngsten Wahlerfolge der NPD. Auch er plant neue Aktionen. In zwei Wochen wird es im Falkenhagener Feld eine neue Kiezstreife mit russischstämmigen Jugendlichen geben. Rainer W. During

Rainer W. During

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