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Berlin: Ein Fall für den Staatsanwalt

17000 Berliner arbeiten in Ein-Euro-Jobs. Nun will Verdi bei Missbrauch vor Gericht ziehen

Seit ihrer Einführung sind die Ein-Euro-Jobs umstritten, jetzt beschäftigt sich die Berliner Staatsanwaltschaft in einem ersten Fall mit ihnen. Justizsprecher Michael Grunwald bestätigte, dass gegen eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wegen des Verdachts des Betrugs, des Subventionsbetrugs und der Untreue ermittelt wird. Die Handwerkskammer hatte Anzeige erstattet. Der Fall machte vor einiger Zeit Schlagzeilen, weil der Gesellschaft vorgeworfen worden war, Ein-Euro-Jobber dazu eingesetzt zu haben, unter anderem weitreichende Malerarbeiten in Reinickendorfer Schulen zu übernehmen, statt die Teilnehmer zu qualifizieren. Es gab laute Interventionen der Kammer und der Innungen, die die Auffassung vertraten, dass reguläre Betriebe mit der Arbeit hätten beauftragt werden müssen.

Voraussichtlich wird sich die Justiz künftig öfter mit dem Thema auseinander setzen müssen. Die Gewerkschaft Verdi kündigte Klagen an, wenn Ein-Euro-Jobs Arbeitsplätze verdrängen. „Sobald wir den Nachweis haben, ziehen wir vor Gericht“, sagte Berlins Verdi-Chefin Susanne Stumpenhusen. Diesen Kurs fährt die Gewerkschaft bundesweit. In Weiden in der Oberpfalz etwa wurden erste Klagen eingereicht. Mit juristischen Schritten von Betrieben ist allerdings weniger zu rechnen. Viele Firmen scheuten es, aktiv zu werden, aus Angst, öffentliche Aufträge zu verlieren, heißt es bei der Handwerkskammer.

In dem Reinickendorfer Fall kam das zuständige Job-Center trotz der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in seiner eigenen Überprüfung aber zu dem Ergebnis, dass kein Missbrauch vorliegt. Nach Angaben der Sprecherin der Arbeitsagentur Nord, Ellen Queisser, durfte die Maßnahme trotz der Proteste der Wirtschaftsverbände weitergeführt werden, sie läuft jetzt im Juni regulär aus. Regressansprüche gegen die Beschäftigungsgesellschaft wurden nicht gestellt. Ob dieser Träger weiter im Auftrag der Job-Center in anderen Maßnahmen Ein-Euro-Jobber beschäftigen kann, konnte Queisser nicht sagen: „Das unterliegt dem Datenschutz.“ Auch der Geschäftsführer der Gesellschaft wollte sich nicht äußern.

Die Haltung des Job-Centers stößt bei Jürgen Wittke, Geschäftsführer der Maler- und Lackierer-Innung, auf Unverständnis. „Die reden sich jetzt schön, dass sie Ende letzten Jahres viele Maßnahmen einfach so ohne jede Prüfung durchgewinkt haben“, sagt Wittke. In der Tat war das Genehmigungsverfahren ungeregelt und wurde von Job-Center zu Job-Center unterschiedlich gehandhabt. Für einige tausend Jobs wurden keine Unbedenklichkeitsbescheinigungen bei den Kammern eingeholt, wie es früher beispielsweise für die ABM-Stellen üblich war. Erst nach einem knappen halben Jahr vereinheitlichen jetzt die Senatsverwaltung für Wirtschaft und die Regionaldirektion für Arbeit die Vorgehensweisen. Das ist dringend nötig; in jedem Bezirk wurde nach eigenen Vorstellungen gehandelt. Zudem werden jetzt in immer größerem Maße Ein-Euro-Jobs eingerichtet. Allein im vergangenen Monat waren es rund 5000, so dass inzwischen mehr als 17 000 Langzeitarbeitslose in Berlin eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, wie die Jobs offiziell heißen, haben. In der letzten Woche wurde eine Mustergeschäftsordnung für die zwölf Job-Center erarbeitet, die die Tätigkeit der Kontrollgremien, der Beiräte, regeln sollen.

Noch immer haben nicht alle Beiräte, in denen die gesellschaftlich relevanten Gruppen des Bezirks vertreten sein sollen, ihre Arbeit aufgenommen. In Kreuzberg-Friedrichshain etwa wird das erst in der nächsten Woche geschehen. In Reinickendorf wollte man eigentlich nur zweimal jährlich tagen. Viel zu selten, meint Oliver Hoch, Geschäftsführer des Fachverbandes Garten- und Landschaftsbau. So könne nicht wirksam überprüft werden, ob Maßnahmen korrekt laufen. Jetzt gibt es die Maßgabe, dass alle Beiräte vierteljährlich tagen sollen.

Die Kontrollen von laufenden Projekten hält Hoch für wichtiger denn je. Seit sich Kammern, Senat und Arbeitsagenturen auf eine so genannte Positivliste geeinigt haben, in der sie die unbedenklichen Einsatzfelder von Ein-Euro-Jobbern festgelegt haben, werden den Handwerksinnungen in der Regel vorher gar keine Anträge mehr vorgelegt. „Wir haben keinen Überblick mehr“, sagt Hoch.

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