zum Hauptinhalt

Berlin: Ein Fehler, der 60 Millionen Euro kostete

Die Stadtreinigung verrechnete sich zu Lasten ihrer Kunden – wer verantwortlich ist, bleibt ungeklärt

Von Sabine Beikler

Die Berliner Stadtreinigung hatte sich böse verrechnet: Fürs Straßenfegen kassierte die BSR zwischen 1999 und 2002 von Hausbesitzern 60 Millionen Euro zu viel ab. Umgerechnet waren das 30 Euro pro Haushalt. Woran lag das, wer war dafür verantwortlich? Es gab bei der BSR eindeutige Fehler in der Tarifkalkulation. Dies geht aus einem Bericht des BSR-Sonderausschusses hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Außerdem nennt der Bericht keinen eindeutigen Verantwortlichen, schließt aber eine „Gesamtverantwortung des Vorstands zweifelsfrei nicht aus“. Es habe „massive Fehler bzw. Unterlassungen von selbstverständlich erscheinender Kommunikation“ zwischen Vorstandsmitgliedern, Mitarbeitern und externen Beratern gegeben.

Inzwischen sind die zu viel gezahlten Straßenreinigungsgebühren samt 3,87 Prozent Zinsen in Höhe von 66 Millionen Euro zwar zurückerstattet worden. Doch ob dadurch auch das Vertrauen der Berliner Hausbesitzer in die Tarifstruktur der BSR wiederhergestellt ist, wagt Jutta Leder, Sprecherin der SPD in dem Sonderausschuss, zu bezweifeln. „Wissen wir, ob alle Hausbesitzer ihr zu viel bezahltes Geld rückerstattet bekamen?“ Gerade bei Mietern, die umgezogen sind, dürfte die Rücküberweisung des Geldes „nicht immer“ möglich gewesen sein, stellt der Ausschuss im Bericht fest.

Und wie sieht es mit den Abrechnungen für den Hausmüll aus? Grünen-Finanzexperte Jochen Esser: „Wir kennen die unzureichende Gebührenabrechnung bei der Straßenreinigung, aber gab es noch andere Fehlbuchungen?“Der Sonderausschuss zur Tarifkalkulation der BSR arbeitete seit Februar 2003 daran, die Ursachen der Gebührenschlampereien herauszufinden. Dabei kam einiges ans Tageslicht: Erstens ist es fraglich, „ob die Innenrevision des landeseigenen Unternehmens funktioniert hat“, sagt PDS-Ausschussmitglied Uwe Doering. „In der BSR gab es keinen Tarifexperten“, ergänzt CDU-Politiker Karl-Georg Wellmann . Zweitens ist nicht geklärt, ob die Gebühren kostendeckend sind. Der Ausschuss fordert deshalb den Senat auf zu prüfen, ob die BSR ihre Kostenkalkulation inzwischen im Griff hat beziehungsweise „zu prüfen, ob die Normen enger gefasst werden müssen und dies bei Bedarf zu veranlassen“.

Als die Gebührenschlampereien im Oktober 2002 entdeckt wurden, sprach die BSR von „Fehlern“ im EDV-System. Die Stadtreinigung hatte Reinigungsgebühren für Straßen ohne Anlieger, für die normalerweise das Land aufkommt, auch Hauseigentümern in Rechnung gestellt – sogar über zwei Tarifperioden, 1999/2000 und 2001/2002, hinweg. Das Ausmaß wurde bekannt, nachdem PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf in seiner Funktion als Aufsichtsratschef eine Nachkalkulation erzwungen hatte. Der frühere Finanzvorstand Arnold Guski wurde daraufhin fristlos entlassen. Vorstandssprecher Peter von Dierkes trat aus gesundheitlichen Gründen im März 2003 zurück. Und Christoph Landerer, langjähriger Personalchef und Vorstands-Vize, wird das Unternehmen noch in diesem Jahr verlassen.

Die BSR-Aufsichtsräte haben den Vorstand inzwischen verkleinert und den Wiener Gerhard Gamperl als Vorsitzenden geholt. Die Erwartungen an den neuen Vorstand sind hoch: Er muss eine funktionsfähigere Organisation aufbauen, eine nachvollziehbare Gebührenstruktur ausarbeiten – und das Vertrauen der Gebührenzahler in die BSR wiedergewinnen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false