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Wäsche und Kaffee. Ulrich Guttmann vor seinem Laden in der Torstraße 115 in Mitte.

© Axel Völcker

Ein Geschäft, zwei Ideen: Gemischtwarenläden

In Berlin bekommen Kunden die verschiedensten Waren und Dienstleistungen unter einem Dach. Wir stellen acht solcher Kombiläden vor – und rufen Sie auf, uns weitere Entdeckungen mitzuteilen!

Das Stückchen Apfelkuchen zum Strauß Blumen, die Urlaubsreise zum Haarschnitt – in Berlin gibt es eine Vielzahl an Läden, die mehrere Geschäftszweige unter einem Dach kombinieren. Kombiläden, sozusagen. „Die Gewerbetreibenden haben erkannt, dass sie die Interessen ihrer Kunden durch unterschiedlichste Angebote besser bedienen können“, sagt Leif Erichsen, Sprecher der hiesigen Industrie- und Handelskammer. Einen Grund dafür sieht er in der besonderen Käuferstruktur der Stadt, geprägt durch die Vielzahl von Touristen.

Viele Kunden möchten außer der reinen Ware auch etwas erleben oder genießen. Das Prinzip Kombiladen setzt daher auf den Neugiereffekt, auf Service und das Shoppingerlebnis. So wird auch die Verweildauer der Kunden im Laden erhöht – das steigert den Umsatz. Beliebteste Nutzungskopplungen, idealerweise für die gleiche Zielgruppe, sind Waren und gastronomische Dienstleistungen. Die Händler können so die abendlichen Ladenschließzeiten umgehen sowie Flächen- und Personalkosten sparen, weil der Florist auch Espresso servieren kann.

Etwa 21 000 Ladengeschäfte gibt es derzeit in Berlin. Wie viele von ihnen Kombiläden sind, sei statistisch nur schwer zu erfassen, sagt Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Denn es würden ständig neue Geschäftsmodelle entstehen, etwa wenn der Optiker Zahngold ankauft oder die chemische Reinigung einen Versandhandel anbietet. Strenge Auflagen müssen die findigen Inhaber bei der Gründung ihrer Zwei-in-einem-Läden nicht erfüllen, denn bis auf den Handel mit Lebensmitteln und Gefahrengütern gibt es nur wenig Regulative im Einzelhandel.

„Die Kombiladen-Idee hatten die großen Warenhäuser schon vor 100 Jahren“, sagt Busch-Petersen. Auffällig hingegen sei, dass vermehrt kleinere Geschäfte unterschiedliche Standbeine miteinander kombinieren.

Klein angefangen hatten auch die Hamburger Kaufmänner Max Herz und Carl Tchiling, als sie ab 1949 Röstkaffee per Post verschickten. Das Unternehmen Tchibo lässt sich als Kombiladen-Pionier betrachten. Anfang der siebziger Jahre ergänzte der Betrieb, mit inzwischen mehreren hundert Filialen, sein Sortiment um Gebrauchsartikel wie Frühstücksbrettchen. Knapp 40 Jahre später handelt der ehemalige Kaffeeversand sogar mit klimaschonendem Gas und Fernreisen.

Die meisten der auf diesen Seiten präsentierten Kombiläden haben diese Ambitionen nicht. Trotzdem sind sie gute Beispiele für Berliner Erfindungsreichtum und unternehmerische Kreativität. Lassen Sie sich neugierig machen – und berichten Sie uns von weiteren Entdeckungen - in der Kommentarfunktion unter diesem Artikel!

Solarium und Brötchen

Solarium und Brötchen. Belinda Windfuhr vor ihrem Laden in der Triftstraße 4 in Wedding.
Solarium und Brötchen. Belinda Windfuhr vor ihrem Laden in der Triftstraße 4 in Wedding.

© Axel Völcker

Ob Brötchen, Burger oder Teint, das Hs. Backhaus und Solar Bräunungsstudio handelt mit braun gebrannter Ware. Tiefenbraun ist auch Belinda Windfuhr, die am Morgen ein Blech mit Teiglingen in den Backofen schiebt. Um halb sechs beginnt der Arbeitstag der 45-Jährigen, die morgens nur einen Energiedrink und eine Zigarette braucht. Öffnet sie ihre Ladentür, kommen die Kunden, darunter viele Schüler von der Leo-Lionni-Grundschule gegenüber, um belegte Brötchen oder Spinatbörek zu kaufen. Aber manchmal beginnt auch jemand den Tag mit einem Sonnenbad. „Speed Power Classic“ oder „Super Power Compact“ heißen die Sonnenbänke im hinteren Ladenbereich, der durch eine Glastür vom Backshop getrennt ist. Vor allem junge Frauen und Männer zwischen 18 und 30 Jahren kommen für eine Dosis UV-Licht, sagt Windfuhr. Viele bleiben hinterher noch auf eine Tasse Kaffee.

Brötchen im Bräunungsstudio: Die Idee stammt von Volker Hinrichs, einem der ersten Sonnenkönige Berlins, der Ende der siebziger Jahre mehrere Solarent-Studios eröffnete. 1986 kam die Filiale in der Triftstraße in Berlin-Wedding dazu. Als die Umsätze mit der Euro-Umstellung und der Einführung des gesetzlichen Mindestalters für Solarium-Kunden einbrachen, suchte Hinrichs nach einem neuen Standbein und fand es in den Selbstbedienungsbackshops. Damit nicht genug: Vor zwei Jahren ergänzte der Inhaber sein Ladenkonzept um den „Heinz Burger“. Das Fastfood-Brötchen mit Rinderbulette hat er seinem Vater Heinz gewidmet. „Jetzt gibt es für jede Tageszeit ein Angebot in meinem Laden“, sagt Hinrichs stolz. Belinda Windfuhr kann davon ein Lied singen. Sie wirbelt zwischen Backofen, Burgertheke und Solarium-Cockpit, von dem aus sie mit ihren neonfarbenen Fingernägeln die Sonnenbänke startet. Wird eine Liege frei, muss Windfuhr sie schnell putzen und nebenbei backen, braten, abkassieren und über die Risiken von UV-Licht beraten. Auch wenn der Job stressig ist, die Dame vom Grill mag das eigenständige Arbeiten und ihre Kunden, von denen einige sie „Big Mama“ nennen. Sicher eine Anspielung auf Windfuhrs mütterliche Fürsorge: So war das beliebte Schülerangebot „Belegtes Brötchen und Capri-Sonne für 99 Cent“ ihre Idee. Cheeseburger gibt’s bei ihr erst um die Mittagszeit. Und „Rothäute, die drei Mal täglich ins Solarium rennen“, schickt sie nach Hause.

Hs. Backhaus und Bräunungsstudio, Triftstraße 4, Wedding. Mo.-Sa. 7-22 Uhr, So. 8-20 Uhr

Fahrstunden und Alkohol

Fahrstunden und Alkohol. Andreas und Alexandra Wittwer vor ihrem Geschäft in der Grünberger Straße 36 in Friedrichshain.
Fahrstunden und Alkohol. Andreas und Alexandra Wittwer vor ihrem Geschäft in der Grünberger Straße 36 in Friedrichshain.

© Axel Völcker

„Geistreich und benebelt“ steht auf dem Schild mit der lachenden Weinrebe, die dem Vorbeiziehenden freundlich zuprostet – am Eingang der Fahrschule Murmel. Geistreich ist zweifelsohne die Geschäftsidee, Wein und Fahrstunden unter einem Dach anzubieten. Viele Neugierige, Touristen wie Studenten, zieht es in die Grünberger Straße nach Friedrichshain, um eine Flasche Wein oder neuerdings auch schottischen Whisky zu kaufen – Rum ist in Planung. Nebenbei können sich die Kunden über die Angebote der Fahrschule informieren oder gleich ihre zukünftigen Fahrlehrer kennenlernen. Denn aus so manchem Weinkunden wird später ein Fahrschüler.

Andreas Wittwer, der das Geschäft zusammen mit seiner Frau Alexandra und seinem Bruder Mathias führt, trinkt gern Apfelsaft. Zumindest dann, wenn er mit seinem Fahrschulwagen unterwegs ist. „Sonst kassierst du von wildfremden Menschen einen Spruch“, sagt Wittwer. Er muss es wissen. Der 51-Jährige erinnert sich noch gut daran, wie die Sachbearbeiter vom Gewerbeamt gegrinst haben, als er ihnen vor zehn Jahren die Formulare zur Geschäftsgründung reichte. Regelmäßige Kontrollen von der Senatsbehörde für Verkehr und Betriebe folgten, bei denen die strikte Trennung von Weinhandlung und Unterrichtsraum in der Fahrschule überprüft wurde.

„Bei uns kannst du richtig Disziplin lernen“, sagt Wittwer. Denn natürlich werden die Fahrschüler nach trockenen Theoriestunden zur Straßenverkehrsordnung nicht mit einer Weinverkostung belohnt. Auch besondere Kombiangebote wie „Riesling und Überlandfahrt“ gibt es nicht. Vielmehr steht das wandhohe Regal voller Chiantis, Pinot Noirs und Chardonnays für Wittwers Selbstverwirklichung. Der ehemalige Kfz-Mechaniker, passionierte Motorradfahrer und Weingenießer ist stolz, „sein eigenes Ding“ und vor allem sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Für das Konzept brauchst du offene Leute“, findet Andreas Wittwer. Die gibt es hier in seinem Kiez. In Prenzlauer Berg, wo die Familie vorübergehend eine weitere Fahrschulfiliale mit Weinhandlung eröffnete, kam das Geschäftsmodell nicht so gut an.

Fahrschule Murmel und Weinhandlung „Geistreich und benebelt“, Grünberger Straße 36, Friedrichshain. Mo.-Do. 15-19 Uhr, Fr. 15-17 Uhr, Tel.: 27 57 37 11, www.fahrschule-und-weinhandlung.de

Möbel und Waffeln

Möbel und Waffeln. Elisa Murzik vor dem "Kauf Dich Glücklich" in der Oderberger Straße 44 in Prenzlauer Berg.
Möbel und Waffeln. Elisa Murzik vor dem "Kauf Dich Glücklich" in der Oderberger Straße 44 in Prenzlauer Berg.

© Axel Völcker

Das Glück beginnt in der Oderberger Straße bei einer frisch gebackenen Waffel mit heißen Kirschen, Vanilleeis und Sahne. Gekauft werden kann alles, was das hübsch eingerichtete Wohnzimmer hergibt: Sofalandschaften, Cocktailsessel, Nierentische, Stehlampen, gerahmte Bergpanoramen aus den fünfziger bis siebziger Jahren sowie Spielzeug aus der Jetztzeit. 40 bis 80 Euro kosten die Tisch- und Sesselmöbel im Schnitt, bis auf die Sofas kann man sie gleich nach dem Kauf aus dem Laden tragen. Es kann also durchaus sein, dass der so freundlich herüberschauende Gast am Nebentisch einem eigentlich nur den Stuhl unterm Hintern wegziehen will.

Gegründet wurde „Kauf dich glücklich“ von Andrea Dahmen und Christoph Munier. Vor zehn Jahren eröffneten die beiden Produktdesigner ihr erstes Möbel-Waffel-Eiscafé in Prenzlauer Berg, um die auf Flohmärkten und bei Wohnungsauflösungen gesammelten Vintagemöbel zum Verkauf anzubieten. Wichtig war ihnen dabei das wohlige Gefühl im Laden – „als wäre man zu Hause“ –, weshalb sie neben die Kaffeemaschine und Eistheke noch ein Waffeleisen stellten. Aus der studentischen Spielwiese ist heute ein expandierendes Unternehmen mit 100 Mitarbeitern und neun deutschlandweit ansässigen Filialen geworden.

Elisa Murzik hat ihre Laufbahn vor ein paar Jahren als Waffelbäckerin im „Kauf dich glücklich“ begonnen. Heute ist sie eine von mehreren Geschäftsführern im Unternehmen. Die 27-Jährige sitzt in einem Sessel mit ausladender Lehne und rührt in ihrem Kaffeeglas. „Geht nicht gibt’s nicht“, beschreibt die 27-Jährige den Einfallsreichtum ihrer beiden Chefs. Und erzählt, wie die Inhaber, die in Bremen keine Barlizenz für ihr Möbel-Waffel-Eiscafé erhielten, kurzerhand auf Mode-Waffeln- Eis umsattelten. Das schwarze Wollkleid „Lotte“, das Murzik heute trägt, stammt aus Dahmens und Muniers eigener Kollektion. Benannt wurde es nach Dahmens kleiner Tochter. „Es gibt auch ein Elisa-Kleid“, sagt Murzik und zeichnet mit den Fingern eine taillierte Silhouette in die Luft. Noch hat sie Zeit zum Kaffeetrinken. An diesem Vormittag sitzen nur wenige Gäste im Wohnzimmer, zwei Eis essende Mädchen mit Schulranzen, ein Zeitungsleser. Ein Möbelkunde ist nicht in Sicht. Aber es ist ja noch früh am Tag.

„Kauf dich glücklich“, Oderberger Straße 44, Prenzlauer Berg. Mo.-Fr. 11-24 Uhr, Sa.+So. 10-1.30 Uhr. Tel.: 48 62 32 92, www.kaufdichgluecklich.de

Kohlen und Fahrräder

Kohlen und Räder. Klaus Bindseil vor dem Laden, der er mit seinem Bruder Dieter zusammen betreibt, in der Weddinger Kiautschoustraße 18. Dieter mochte nicht mit aufs Foto.
Kohlen und Räder. Klaus Bindseil vor dem Laden, der er mit seinem Bruder Dieter zusammen betreibt, in der Weddinger Kiautschoustraße 18. Dieter mochte nicht mit aufs Foto.

© Axel Völcker

Dieter Bindseil mag seine Arbeit. Seit etwa vier Jahren repariert der 63-Jährige Fahrräder für die Anwohner aus dem Sprengelkiez in Berlin-Wedding. Gerade hat eine Frau ihr Velo mit plattem Hinterreifen in den Laden geschoben. Dieter hebt es auf den Fahrradbock und setzt den Schraubenschlüssel an. „Platten repariert normalerweise mein Bruder“, er wischt die Finger am Blaumann ab. Klaus sei zuständig

fürs Grobe, er selbst dagegen mehr der Feinmotoriker. Das Grobe, damit meint Dieter die fossilen Brennstoffe, die sein jüngerer Bruder seit nunmehr 35 Jahren ausliefert. Meist ins brandenburgische Umland, wo noch immer viele Einfamilienhäuser mit Kohle- und Holzbriketts geheizt werden. Und in letzter Zeit auch wieder öfter nach Berlin, wo Kamine alte Kohleöfen ersetzen.

Im Laden der Brüder sind die unterschiedlichen Geschäftsbereiche bunt zusammengewürfelt. Zehn-Kilo-Pakete Kohlebriketts und Säcke mit Holzscheiten stapeln sich an den Wänden, am Büroschreibtisch mit Drucker und Telefon lehnen zwei Fahrräder, in der Raummitte stehen der Fahrradbock und eine Werkzeugkiste. Den Vorschlag, Radreparaturen in Kombination mit Brennstoffen anzubieten, unterbreitete Dieter seinem Bruder vor einigen Jahren, um im Sommer, wenn das Geschäft mit den Heizmitteln nur mäßig läuft, „die Miete rauszukriegen“. Auch schaffte der gelernte Tiefbauer so den Sprung aus der Arbeitslosigkeit. Im Geschäftsalltag der Männer haben die unterschiedlichen Angebote unter einem Dach nur wenig miteinander zu tun, auch wenn hin und wieder ein Kunde in den Laden kommt, der zuerst das Fahrradlicht reparieren lässt und hinterher noch einen Sack Holz mitnimmt.

„Viel schmeißt es nicht ab“, sagt Dieter über sein Standbein. Doch über verkaufsfördernde Sonderangebote wie eine Gratis-Fahrradinspektion beim Kauf von größeren Mengen Holz oder Kohlen denken die Brüder trotzdem nicht nach. „Wir verrichten quasi soziale Dienste“, sagt Dieter. Vor allem dann, wenn der jüngere Bruder den Leuten aus der Nachbarschaft Brennstoffe „borgt“, damit sie nicht frieren. Mit

ihrer Geschäftsidee geht es den Bindseils weniger um Profit. Vor allem fühlen sie sich den Menschen im Sprengelkiez, in dem beide ihr Leben verbracht haben, verbunden.

Brennstoffhandel und Fahrradservice, Kiautschoustraße 18, Wedding. Mo.-Fr. 15-18 Uhr, Sa. 10-13 Uhr

Wäsche und Kaffee

Wäsche und Kaffee. Ulrich Guttmann vor seinem Laden in der Torstraße 115 in Mitte.
Wäsche und Kaffee. Ulrich Guttmann vor seinem Laden in der Torstraße 115 in Mitte.

© Axel Völcker

„Im Sommer platzt hier der Mond“, sagt Ulrich Guttmann und meint damit die vielen Touristen, die dann aus ihren Hostels in seinen Laden strömen, um ihre Straßen- und Ausgehoutfits zu waschen oder ein Stück New York Cheesecake zu essen. 14 Mieles drehen ihre Trommeln, während der Inhaber zwischen Cafétresen und Waschsalon hin- und hertippelt. Das junge spanische Pärchen, dem er gerade die Temperatur des Waschgangs eingestellt hat („Kochen?“ – „No!“), möchte jetzt einen Kaffee trinken. Der Mann aus Prenzlauer Berg, der gleich drei Waschmaschinen mit Oberbetten befüllt hat, bekommt seine Steppdecken nicht trocken. „Ist das Synthetik?“, fragt Guttmann ihn, nachdem er die Cappuccinos serviert hat, „da kannste drei Tage warten, ehe das trocken wird.“

„Stylish“ habe er seinen Laden eingerichtet, sagt Guttmann. An den Wänden bunte Retrotapete, davor Sofas, Nierentische, Schalenstühle aus den Fünfzigern, auf der gegenüberliegenden Seite Waschmaschinen und Trockner. „Stylish“ ist auch Guttmann, mit seinem blütenweißen Hemd und der Samtweste ziemlich fein für die Waschküche. Seine Garderobe wäscht der Inhaber „selbstverständlich“ im Salon und „natürlich“ ohne Weichspüler, denn parfümierte Wäsche mag er nicht. Ähnlich handhaben es die Japaner, die seinen Kombiladen lieben, sowie die Australier und Amerikaner. Letztere waschen ihre Klamotten nur bei 30 Grad. „Kaltwäsche“, Guttmann schüttelt den Kopf.

Vor 19 Jahren hat der Waschmann, der sein Alter „auf keinen Fall“ verraten möchte, seinen Salon in der Torstraße eröffnet. Ein ungewöhnlich langer Zeitraum für den dynamischen Kiez rund um den Rosentaler Platz. Weil die saubere Wäsche allein nicht genug Gewinn abwarf, erweiterte Guttmann, der in seinem vorherigen Leben in Ost-Berlin Inhaber mehrerer Bars war, seine Waschküche um ein Café. Keine große Idee, eher ein kluger Schachzug, so kompensiert das Kaffee- das Waschgeschäft an nicht so guten Tagen. Und das, obwohl die Tasse Cappuccino im Waschsalon nur 1,70 Euro kostet.

Waschsalon 115 Café & Bar, Torstraße 115, Mitte. Mo.-So. 6-23 Uhr, Tel.: 0173-671 06 25, www.waschsalon-berlin-mitte.de

Kunsthaar und Kochbananen

Kunsthaar und Kochbananen. Monsieur Ebeny vor seinem Shop in der Kameruner Straße 6 in Wedding.
Kunsthaar und Kochbananen. Monsieur Ebeny vor seinem Shop in der Kameruner Straße 6 in Wedding.

© Axel Völcker

Monsieur Ebeny hat Besuch. Ein Freund, der gerade ein paar Urlaubstage in Berlin verbringt, hat auf einem der gepolsterten Stühle neben der Ladentheke Platz genommen. Er sei extra für ein nigerianisches Guinness-Bier gekommen, sagt der Mann, denn das bekomme er nicht in Zürich, wo er derzeit wohnt und arbeitet. Monsieur Ebeny verkauft nigerianisches Bier genauso wie Kochbananen, Katfisch, Haarglättungsmittel, Kunsthaar, Bodylotion, Telefonkarten, Holzfiguren, Schmuck und Hemden. Sechs Tage pro Woche steht der gebürtige Kameruner in seinem Gemischtwarenladen in der Kameruner Straße. Diese Straße, obwohl etwas abgelegen am oberen Ende der Weddinger Müllerstraße, musste es sein: In der Nachbarschaft wohnen viele Menschen der afrikanischen Community, die bei ihm einkaufen.

Sorgfältig einsortiert sind die bunt etikettierten Büchsen, Dosen, Tüten und Gläser in die roten Wandregale. In der Raummitte stehen ein paar Gemüsekisten mit Yamswurzeln, daneben eine Gefriertruhe, durch deren Schiebetür gefrorene Fische glotzen. Am Garderobenständer gleich neben der Eingangstür hängen ein paar bunt gemusterte Hemden und eine schwarze Lederjacke, die Monsieur Ebeny jetzt bei der kalten Novemberluft draußen trägt.

„In afrikanischen Läden findest du fast alles unter einem Dach“, sagt der 52-Jährige. Er zeigt noch das Frisierzimmer mit Fernsehapparat und türkisgrünem Sofa im hinteren Ladenbereich, in dem die Schwägerin auf Anfrage Haare flicht, und die zwei Telefonkabinen. Auf der Ladentheke steht ein Topf mit einem kamerunischen Pansengericht, sein Mittagessen.

Der Inhaber ist stolz auf seinen Laden, auch wenn es mitunter wirtschaftlich schlechte Zeiten zu überstehen gilt und die Tage zwischen Kunsthaar und Kochbananen manchmal etwas lang werden. „Zum Glück kommt immer jemand zum Quatschen vorbei“, sagt Monsieur Ebeny mit weichem französischen Akzent. So seien afrikanische Geschäfte gleichzeitig soziale Treffpunkte, in denen die Leute zusammensitzen und etwas trinken. Der Freund mit dem nigerianischen Guinness nickt. „Das ist Teil unserer Kultur“, sagt er: „Hast du nichts anzuziehen, bekommst du ein Hemd, hast du nichts zu essen, bekommst du ein Stück Fleisch. Und hast du nichts zu trinken, bekommst du ein Bier.“

Monsieur Ebeny, Kameruner Straße 6, Wedding. Mo.-Sa. 10-20 Uhr

Kamine und Wein

Kamine und Wein. Heiko Schmidt und sein Hund Hermann vor dem Laden in der Prinzenallee 58 in Gesundbrunnen.
Kamine und Wein. Heiko Schmidt und sein Hund Hermann vor dem Laden in der Prinzenallee 58 in Gesundbrunnen.

© Axel Völcker

Ziemlich verpennt steht Heiko Schmidt am Morgen in seinem Kaminofenfachhandel mit Weinladen und Café in der Prinzenallee in Gesundbrunnen. Er gähnt, reibt sich die Augen und grinst verschmitzt. Vorneweg läuft Hermann, ein schwarz-weiß gefleckter Mischlingshund aus Siebenbürgen, den Schmidt bei einer Reise auf der Straße fand. So wie mit Hermann verbindet Schmidt mit den Dingen, die ihn umgeben, eine Geschichte. Bei den Weinen, die im mehrstöckigen Wandregal gegenüber des Tresens lagern, sind es die Begegnungen mit spanischen und portugiesischen Winzern. Oder, wie beim Weingut Otto Laubenstein aus Bad Münster, mit dessen hübscher Weinkönigin.

Die Idee, 2006 ein Café mit wechselnden Ausstellungen zu eröffnen und einen Weinverkauf zu integrieren, war keine neue. Schon davor war Schmidt Inhaber eines Cafés in der Weddinger Schererstraße, das irgendwann der „Schickimicki-Sanierung“ der Altbauten zum Opfer fiel. Hier lernte der Gastronom Uwe kennen, einen Kaminofenhändler. Das Gewerbe interessierte den 39-Jährigen, Lagerfeuer fand der Förstersohn aus dem Pfälzer Wald schon immer toll. Als Uwe seinen Laden in Reinickendorf aufgibt, übernimmt Schmidt die besten Öfen und stellt sie in sein Café. Insgesamt 26 Kamine, kastenförmig, gewölbt, mit oder ohne Drehgelenk und Holzscheitfach, stehen nun im sanft beleuchteten Keller-Showroom. Sieben weitere stehen oben im Café, einige werden schon am Vormittag geheizt, wenn Schmidt und sein Kollege Kaminberatungen durchführen und sich am späten Nachmittag das Café mit Gästen und Weinkunden füllt. Die Kaffee- und Weintrinker mögen die gemütliche Atmosphäre, die die knisternden Kamine ausstrahlen, und staunen oft nicht schlecht, wenn gleich neben ihnen ein Ofen aus dem Laden getragen wird. Die Käufer dagegen erleben ihren Wunsch- Ofen in einer angenehmen Situation, „was den Druck bei der Kaufentscheidung rausnimmt“, wie Schmidt sagt, der den neuen Eigentümern immer einen guten Tropfen „zum Anstoßen“ spendiert.

Kamine & Wein, Prinzenallee 58, Gesundbrunnen Ofen-Ausstellung/Café Mo.-Sa. 17-24 Uhr, Beratung mit Termin Mo.+Do. 10-20 Uhr. Tel. 53 64 19 72, www.kamineundwein.de

Schlüssel und Tee

Schlüssel und Tee. Die Geschwister Christian und Christiane Schikora vor ihrem Laden in der Bismarckstraße 58 in Charlottenburg.
Schlüssel und Tee. Die Geschwister Christian und Christiane Schikora vor ihrem Laden in der Bismarckstraße 58 in Charlottenburg.

© Axel Völcker

Laut heult die Schlüsselfräse auf. Vor der Maschine steht Christiane Schikora und beobachtet, wie die Fräse einen Zackenbart in den silbernen Rohling schneidet. In der Hand hält sie eine dampfende Tasse Tee.

Das Tee- und Schlüsselfachgeschäft in der Charlottenburger Bismarckstraße führen die Schikoras nun schon in zweiter Generation. Christian, der jüngere Bruder, der die Schließanlagen großer Konzertsäle und Fitnessketten repariert oder Gerichtsvollziehern Zugang zu Wohnungen verschafft, und Christiane, die ältere Schwester, die im Geschäft abwechselnd an der Werkbank oder hinter der Ladentheke steht. Süßlich duften die 120 Teesorten im Wandregal dahinter. Schikora nimmt eine grüne Kiste mit der Beschriftung „Elegance“ – ihren Lieblingstee – und öffnet sie, so dass sich Vanille- und Erdbeeraromen im Raum verteilen. Ihr Fingerspitzengefühl sei nicht nur an der Werkbank gefragt, sagt die 48-Jährige, auch die Auswahl und Menge der richtigen Sorte wolle gut überlegt sein.

Die Geschwister haben ihren Eltern schon von klein auf im Laden geholfen. Weil Vater Schikora der Meinung war, dass eine Frau keine Schlüssel zu feilen hat, schrieb Christiane zuerst Rechnungen und kümmerte sich um die Buchführung, während Christian dem Vater in den Sommerferien beim Schlossern über die Schulter guckte. Die Idee, das Ladensortiment um Tee zu erweitern, kam Mutter Elke Ende der neunziger Jahre, als sich die Kerzen- und Garderobenständer aus Messing nicht mehr so gut verkauften und ein Onkel aus Hannover seinen Teeladen aufgab. Statt Schließzylindern, Schmierölen und Türschlössern wurden nun bauchige Teekannen, Porzellantassen und Kandiszucker in den vorderen Ladenbereich gestellt. Sogar Teepartys veranstalteten die Schikoras anfänglich zur Verkostung der neu eingetroffenen Sorten. Reagierten die Stammkunden zuerst überrascht auf die ungewöhnliche Produktpalette, nutzen sie die beiden Dienstleistungen heute parallel. So wie der feine Herr im Zwirn, ein Stammkunde, der am Nachmittag einen Schlüssel abholt und anschließend in der kleinen Sitzecke mit den braunen Ledersesseln eine Tasse „Potenztee“ aus Chinaminze trinkt.

„Kleine Tee-Ecke“ und Schlüsseldienst Bismarck, Bismarckstraße 58, Charlottenburg. Mo.-Fr. 9-18 Uhr, Sa. 10-14 Uhr, Tel.: 342 10 40

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