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Ein Guru in Kreuzberg: Sadhguru meditiert im Tempodrom

Ein anderer Mensch werden – nicht weniger verspricht Sadhguru seinen Besuchern. Als spiritueller Führer ist er weltweit geschätzt. Heute kommt der indische Spirituelle nach Kreuzberg.

Sadhguru lächelt die vorbeifahrenden Autos an der Jannowitzbrücke an, er blickt sanft auf die Flaneure in der Alten Schönhauser und selbst auf dem U-Bahn-Gleis ist er gut gelaunt. Sein Bild klebt an Wänden, Trafohäuschen und Litfaßsäulen der Stadt, dank der Guerilla-Plakatierer, einem Trupp Sadhguru-Volontäre, die Berlin auf seinen Besuch vorbereiten. „Make it happen“ ist ihr Slogan.

Sadhguru, der eigentlich Jaggi Vasudev heißt, 58 Jahre alt, ist Yogi, Esoteriker, Autor; ein spiritueller Meister, dessen Yoga-Programme auf der ganzen Welt praktiziert werden. Am heutigen Sonntag kommt er ins Tempodrom, um – ja, was eigentlich?

Es ist mühsam, einen Interviewtermin mit ihm zu bekommen. Die Isha Foundation, die von ihm gegründete Stiftung, die das Phänomen Sadhguru organisiert, ist streng, professionell und eben nicht auf jedes Interview scharf. Sie sind der bad cop, Sadhguru der good cop: „Wir haben es nicht nötig, jede x-beliebige Interviewanfrage anzunehmen“, heißt es. Doch irgendwann klappt es doch, und Sadhgurus Stimme klingt durchs Telefon, in diesem wunderbaren indischen Sing-Sang. Seine Botschaft: Berlin als Symbol der Überwindung von Mauern, soll Beispiel werden für Europa und die ganze Welt.

Eine Mischung aus Vortrag und Meditation

Die Besucher sollen danach andere Menschen sein, nicht weniger als das ist das Ziel für die Veranstaltung, die man sich als eine Mischung aus Vortrag und gemeinsamer Meditation vorstellen muss. Selbsttransformation nennt er das. Sein Werkzeug dafür sei logisch nachvollziehbar und wissenschaftlich verifizierbar.

Sadhguru erzählt viel und gerne, das hört man auch am Telefon. Mauern einreißen also, sagt er mit fester Stimme. „Wir haben so viele Konzepte entwickelt, die uns von uns selbst und allem anderen trennen: das Konzept unserer Identität als Menschen, das Konzept des sozialen Geschlechts, Rassismus, Religion, Gott, Habgier, Volkszugehörigkeit...“ All diese Identitäten, sagt er, hätten wir selbst erfunden, selbst Brexit! „Wir haben uns selbst mit Mauern umgeben: Dabei müssen wir diese Welt in eine Welt der Inklusion verwandeln. Momentan haben alle Angst davor, andere Menschen aufzunehmen. Das bedeutet ja noch lange nicht, dass man andere Menschen bei sich zu Hause wohnen lassen muss. Inklusion bedeutet, dass es im Herzen keine Vorurteile gibt.“

Doch bei all der Ernsthaftigkeit der Themen kann Sadhguru auch ziemlich albern sein. „Nein, ich bin kein „Mistake“, antwortet er auf die Frage, ob er Mystiker sei. Dann lacht er ein glucksendes, ansteckendes Lachen, das Wortspiel „Mystic“ und „Mistake“ sei ihm gerade eingefallen. Er macht gerne Witze, in Interviews, aber auch bei seinen Vorträgen, die von mehreren Millionen Menschen auf Youtube-Videos weltweit gesehen werden. „Als ich neulich in Afrika war, konnte ich es kaum glauben. Egal an welchem Flughafen, überall wurde ich von Menschen angesprochen: ,He, ich kenne sie doch aus den Videos!‘“

In Indien ist er ein Medienstar, dank seines Freigeistes ein gern gesehener Gast im Fernsehen. Viele werden zu Sadhguru-Anhängern, weil sie seine Meinung als die einzig vertretbare bei den indischen Vergewaltigungsvorfällen der vergangenen Jahre fanden, wie auch die zu Themen der Gesundheitspolitik, der Sozialökonomie und zum Mythos Yoga.

Sadhguru wurde mit der Indira-Gandhi-Medaille geehrt

Seit Beginn der 90er Jahre engagiert sich Sadhguru mithilfe seiner mittlerweile fünf Millionen Anhänger in Indien: Er ließ 8,2 Millionen Bäume im trockenen Tamil Nadu pflanzen, gibt Yoga-Kurse für indische Gefängnisinsassen und baut Schulen in ländlichen Gegenden mit Montessori-Ansatz. Dafür hat er unter anderem die Indira-Gandhi-Medaille erhalten.

Spricht er denn anders mit den Menschen in den Dörfern, mit den Politikern, mit den Afrikanern, im Fernsehen? Verwendet er andere Bilder, erzählt er andere Witze? Es wird für einen Moment still am anderen Ende der Leitung. Dann lacht er. „Für gewöhnlich ist mein Kopf leer, ich spreche zu den Menschen, wenn sie vor mir sind“, sagt er. „Und dann achte ich darauf, dass sie auch verstehen, was ich ihnen mitteile.“ Das sei ja schließlich der Sinn von Sprache: Man soll sich gegenseitig verstehen. Er habe also keine Strategie, müsse niemanden beeindrucken. „Nein. Alles, was ich weiß, ist: Wenn ein Leben einem anderen Leben auf eine sehr tiefe Art und Weise begegnet, dann hinterlässt das einen Eindruck. Ich bin also gespannt, ob ich die Berliner in Brand stecken kann.“ Wieder lacht er.

Einladungen zu Vorträgen hat der Mann mit dem Rauschebart auch immer wieder zum Weltwirtschaftsforum in Davos oder zur UN in New York. Erst spricht er auf der Bühne, abends tanzt er mit den Mächtigen barfuß nach dem Diner. Warum trifft er sich als spiritueller Führer mit denen aus Politik und Wirtschaft? Seine Antwort kommt schnell: „Damit Menschen sich innerlich weiterentwickeln können, inneres Glück finden, müssen die äußeren Faktoren stimmen. Nehmen wir wirtschaftliches und soziales Wachstum nicht ernst, ist keinem geholfen, dann interessiert sich niemand für Spiritualität, und das Leben wird zum Kampf des Überlebens.“

Sadhgurus Anliegen ist es, den Menschen eine Methode zum inneren Wohlbefinden zu vermitteln. Dafür bedient er sich des Internet und bezeichnet sich als ersten spirituellen Lehrer, der dieses voll ausschöpft. Youtube-Videos, die Sadhguru-Handy-App und eine Kolumne in der Huffington Post – mehr als eine Millionen Facebook-Fans streamen die Botschaft des allgegenwärtigen Gurus. Indien ist eben nicht nur Yoga und Mystik, sondern auch Bangalore und Computer. „Ich sehe jedes Gerät, jede technologische Erfindung als ein wunderbares Geschenk“, sagt Sadhguru. „Nur leider benutzen viele Menschen die Technologien falsch und versauen sich damit ihr Leben.“ Im Internet würden viele negative und verstörende Dinge kommuniziert. Er versucht, die Technik effektiv zu nutzen. „Ich glaube fest, dass die Menschen sich nach einer spirituellen Erfahrung sehnen.“ Sein Traum ist nämlich, dass jeder Mensch sich selbst transformieren kann, ohne die Hilfe eines Gurus, einer Organisation oder irgendeiner anderen Autorität. „So wie heutzutage fast jeder Mensch eine Zahnbürste besitzt, um seine Mundhygiene zu tätigen.“ Und das Internet bietet ihm die Möglichkeit, so viele Menschen gleichzeitig zu erreichen wie nie zuvor.

Spiritualität 2.0. also. Passt ja ganz gut in die Start-Up-Stadt Berlin.

Sadhguru ist am heutigen Sonntag, 15 Uhr, im Tempodrom, Möckernstraße 10, Kreuzberg, Karten ab 50 Euro.

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