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Berlin: Ein hervorragender Berliner

Warum Wolf Biermann Ehrenbürger der Stadt werden sollte

Von Tilmann Fichter Der CDU-Kulturpolitiker Uwe Lehmann-Brauns fordert für Wolf Biermann die Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin. Lehmann-Brauns hat seinen Vorschlag nicht, wie es sonst guter parlamentarischer Brauch ist, mit den Fraktionsspitzen der anderen Parteien im Abgeordnetenhaus abgeklärt. Er sprach sich offenbar nur mit der Fraktion der Grünen und der FDP ab.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler, reagierte zunächst einmal abwartend: Die Kriterien für die Verleihung einer Ehrenbürgerwürde seien „eng gefasst“, Persönlichkeiten sollten nur dann geehrt werden, wenn ihr „Lebenswerk“ in „ganz hervorragender Weise“ mit Berlin verbunden sei.

Diese Kriterien treffen meines Erachtens auf Wolf Biermann uneingeschränkt zu. Der Schöpfer zahlreicher Berliner Balladen wurde schließlich wegen seines „Lebenswerks“ 1976 vom Politbüro der SED aus der DDR ausgebürgert. Einen Tag nach der Ausbürgerung unterzeichneten zwölf bekannte DDR-Schriftsteller (u. a. Stephan Hermlin, Stefan Heym und Christa Wolf) eine Protesterklärung, der sich innerhalb weniger Tage Hunderte von DDR-Künstlern und Intellektuellen anschlossen. In der DDR entstand eine Gegenöffentlichkeit für den unbequemen Poeten.

Wenn Ronald Reagan, Michail Gorbatschow und Johannes Rau – zu Recht – als Ehrenbürger Berlins geehrt werden, dann hat der aus Hamburg stammende Berliner Chansonnier diese Ehrung gleichfalls verdient. Denn Reagan, Gorbatschow und Rau haben die neue Einheit Berlins mit ermöglicht, während der geradezu tollkühne Biermann – auf der „großen Harfe“, auf „dem Stacheldraht“ spielend – schon in den 60er und 70er Jahren für die Überwindung der Spaltung Berlins gedichtet, gestritten und gelitten hat.

Bereits vor Biermanns Ausbürgerung hatte Rudi Dutschke am 28. April 1976 geschrieben: Du warst für mich immer einer, der das „Neue“ in der DDR verteidigte und zugleich „die aufkommende ‚Wiederholung der alten Scheiße‘ kritisierte“. Bei Biermann hörte sich diese (linke) Erkenntnis 1963 so an:

„Manchen hör ich bitter sagen /,Sozialismus schön und gut / Aber was man uns hier aufsetzt / Das ist der falsche Hut!‘ /Manchen seh ich Fäuste ballen / In der tiefen Manteltasche / Kalte Kippe auf den Lippen / Und in den Herzen Asche.“

In einer seiner schönsten Balladen über den „Preußischen Ikarus“ hieß es im Jahr der Ausbürgerung:

Da, wo die Friedrichstraße sacht / Den Schritt über das Wasser macht / da hängt über der Spree / Die Weidendammerbrücke. Schön / Kannst du da Preußens Adler sehn / …Der Stacheldraht wächst langsam ein / Tief in die Haut, in Brust und Bein / ins Hirn, in graue Zelln / Umgürtet mit dem Drahtverband / Ist unser Land ein Inselland / umbrandet von bleiernen Welln …“

Diese Poesie ist mit unserer geschundenen Stadt Berlin in „ganz hervorragender Weise“ verbunden. Deshalb sollte die „Berlinpartei SPD“ von Franz Neumann, Ernst Reuter und Willy Brandt der Verleihung der Ehrenbürgerwürde für Wolf Biermann zustimmen.

Der Autor, Jahrgang 1937, ist Publizist und langjähriges SPD-Mitglied.

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