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Berlin: Ein Jahr im Berliner Schuldensumpf Finanzsenator Sarrazin in der Urania: ein Horrorgemälde

Diesen Vortrag beherrscht Thilo Sarrazin inzwischen mit links. Er besteigt das Podium, den Aktenordner mit den OverheadFolien unter dem Arm.

Diesen Vortrag beherrscht Thilo Sarrazin inzwischen mit links. Er besteigt das Podium, den Aktenordner mit den OverheadFolien unter dem Arm. Dann legt er eine nach der anderen unter die Lampe, und an der Wand entfaltet sich ein Bild nackten finanziellen Horrors. „Ich will das hier gar nicht bewerten“, sagt er dann bei mehreren Gelegenheiten mit kaum merklichem Sarkasmus, „aber das sind nun einmal die Fakten.“

Der Finanzsenator in der Urania – in diesem Fall ist das eine Art Jubiläum, denn er ist ziemlich genau ein Jahr im Amt. Und er vermittelt den klaren Eindruck, dass dies für ihn ein Jahr der Forschung und des zunehmenden Erstaunens war. Sarrazin berichtet mit der Haltung eines Insektenforschers, der im Urwald auf eine seltsame, riesige Ameisenpopulation getroffen ist, die es einfach nicht fertig bekommt, einen normalen Bau aufzurichten. Alle Ausgabenkennzahlen, wie man sie dreht und wendet, liegen bedeutend über dem Bundesdurchschnitt, dies belegt er eindrücklich. Wie ein Mantra wiederholt der Senator seinen Kernsatz, man habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem, denn Berlin nehme pro Kopf 25 Prozent mehr als andere Bundesländer ein, gebe aber 46 Prozent mehr aus. Ohne einen grundsätzlichen Kurswechsel habe auch die Klage auf Anerkennung einer Haushaltsnotlage in Karlsruhe keine Erfolgsaussichten.

Sarkastische Schlussfolgerung Sarrazins zur inneren Sicherheit: „Mir sind keine Kennzahlen bekannt, nach denen eine höhere Polizeidichte auch höhere Sicherheit bedeutet“; die Berliner Polizeidichte ist bekanntermaßen gewaltig. In der Gesundheitsverwaltung: dreimal so viele Beschäftigte wie in Hamburg. „Was die alle machen, kriege ich gerade raus“, droht er, „das ist aber nicht so einfach.“ Seine eigene Verwaltung habe 380 Mitarbeiter, die Finanzverwaltung in Rheinland-Pfalz, wo er einst Staatssekretär war, nur 220; die allerdings betreuen das Bauressort noch mit. So kann Sarrazin stundenlang erzählen, und er skizziert das Bild einer Großstadt, die über Jahrzehnte sorgfältig immer näher an den Abgrund gesteuert wurde.

Die Zuhörer tragen es mit Fassung. Vorkämpfer gewerkschaftlicher Positionen sind nicht gekommen, statt dessen ein paar Selbstdarsteller, vor allem aber jene, die über die Situation so empört sind, dass sie dem Senator den Rücken stärken. Er erhält Beifall, für Finanzminister eher eine Ausnahme. Aber die Zeit ist wohl reif für die Wahrheit. bm

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