zum Hauptinhalt

Berlin: Ein Job ist fern

Der Innensenator verspricht Flüchtlingen eine Arbeitserlaubnis – seine Behörde aber handelt anders

Für viele Flüchtlinge, die dauerhaft in Berlin bleiben können, ist es beinahe unmöglich, arbeiten zu dürfen. Der Berliner Flüchtlingsrat spricht von einem „faktischen Arbeitsverbot“. Dabei hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erst vor kurzem in einem Interview mit dem Tagesspiegel gesagt: „In dem Moment, wo ich sage, die Dauerflüchtlinge dürfen bleiben, können und müssen sie auch jede Arbeit annehmen.“ Tatsächlich wird aber anders gehandelt. Die Berliner Ausländerbehörde interpretiert die Bestimmungen über die Mindestaufenthaltsdauer in Deutschland ganz eng an den Buchstaben des Gesetzes entlang.

Berlin verlangt, dass sich Flüchtlinge mit dauerhaftem Bleiberecht, etwa aus dem ehemaligen Jugoslawien, mindestens vier Jahre lang mit einer Aufenthaltserlaubnis oder einer so genannten Duldung hier aufgehalten haben müssen, bevor sie sich eine Arbeit suchen dürfen. Gleiches gilt für ehemalige Asylbewerber, die zwar nicht anerkannt wurden, aber dennoch beispielsweise aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Die Zeiten während ihres Asylverfahrens, in denen sie eine Aufenthaltsgestattung bekommen, werden nicht angerechnet. „Die Innenverwaltung hält sich nur an die gesetzlichen Bestimmungen, die mit dem Bundesministerium des Inneren abgestimmt sind“, sagt hingegen Martin Steltner, Körtings Sprecher. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit allerdings legt die entsprechende Verordnung weiter aus und vertritt den Standpunkt, dass auch eine Aufenthaltsgestattung wie eine Erlaubnis oder eine Duldung angerechnet werden müsse.

Berlins Migrationsbeauftragter Günter Piening und das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit haben nun an die Berliner Ausländerbehörde und die übergeordnete Innenverwaltung appelliert, die Bestimmungen nicht mehr so restriktiv auszulegen. „Wir können das Verhalten der Innenverwaltung nicht verstehen, denn wir sind mit Innensenator Körting einer Meinung, dass man Menschen, die hier bleiben dürfen, so schnell wie möglich eine Integrationsperspektive bieten muss. Integration heißt eben in erster Linie Arbeit“, sagte Piening.

Der Flüchtlingsrat kritisiert das Vorgehen der Innenbehörde scharf. „Die Integration der Menschen wird verhindert“, sagt Flüchtlingsratssprecher Jens-Uwe Thomas. „Jemand, der während eines jahrelangen Asylverfahrens legal in Deutschland war, kann jetzt nicht den Mindestaufenthalt vorweisen.“ So komme es vor, dass Menschen, die nun dauerhaft hier bleiben dürfen, erst vier Jahre warten müssen, bevor sie sich einen Job suchen können. Eine andere Regelung sieht vor, dass Flüchtlinge, selbst wenn sie die erforderlichen vier Jahre Wartezeit vorweisen können, nur solche Beschäftigungen aufnehmen dürfen, bei denen nachgewiesen werden kann, dass für die Arbeit kein deutscher Arbeitnehmer zu finden war.

Auch im Büro der Integrationsbeauftragten des Bundes, Marieluise Beck, stößt das Verfahren auf kein Verständnis. Wenn man es den Menschen so sehr erschwere, eine Beschäftigung zu finden, „ist das nicht integrationsfördernd“, sagt Jochen Hayungs, Referent bei der Integrationsbeauftragten. „Arbeit ist ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Integration.“ Der Spielraum, die Regelungen anders auszulegen, sei vorhanden.

Nach Angaben des Flüchtlingsrates geht lediglich Berlin so strikt bei der Erteilung einer Arbeitserlaubnis vor, aus anderen Bundesländern sei so etwas nicht bekannt. Absurd sei das Verhalten der Behörde auch, weil in manchen Fällen die Aufenthaltserlaubnis an die Auflage geknüpft sind, hier Arbeit zu finden. Dies werde aber unmöglich gemacht, sagte Flüchtlingsratssprecher Thomas. Wie viele Ausländer von der Regelung betroffen sind, darüber liegen keine Zahlen vor. Auch Günter Piening kann keine genaue Zahl nennen, sagt aber: „Das Thema spielt in unseren Beratungen eine große Rolle.“

Der Flüchtlingsrat geht davon aus, dass auch rund ein Viertel der Flüchtlinge, die von der Abschiebung bedroht waren und denen Innensenator Körting nach einer Empfehlung der Härtefallkommission eine Aufenthaltserlaubnis erteilt hatte, betroffen ist. Dem widerspricht jedoch die Innenverwaltung.

Mit Körtings Antworten gibt sich der Migrationsbeauftragte Piening aber nicht zufrieden. „Wir müssen mit der Innenverwaltung eine Lösung finden“, sagt er. „Am besten wäre, das Bundeswirtschaftsministerium startet dazu die Initiative.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false