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Berlin: Ein Käfig gegen den Kindesmissbrauch

Köpenick. Rostige Gitterstäbe bilden einen drei mal drei Meter großen Käfig.

Köpenick. Rostige Gitterstäbe bilden einen drei mal drei Meter großen Käfig. Einen Eingang gibt es nicht. Dafür ein Eisenbett, auf dem eine stilisierte „Bild“-Zeitung aus beschichtetem Aluminium liegt. Eingraviert darin die Forderung von Bundeskanzler Gerhard Schröder „Kinderschänder wegschließen – für immer!“ Mit diesem Mahnmal gegen Kindesmissbrauch will sich die deutschlandweit arbeitende „Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen“ an die Öffentlichkeit wenden. Im September wird das Kunstwerk zunächst vorübergehend im Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in der Wuhlheide aufgestellt. „Es soll aufrütteln, Zivilcourage herausfordern und das Ungeheuerliche darstellen, das viele Menschen lieber verdrängen möchten“, sagt Johannes Heibel. Der Sozialpädagoge aus Rheinland-Pfalz gab den Anstoß für das Denkmal und entwarf es auch.

Das Kanzlerzitat vom vergangenen Jahr inspirierte den 46-Jährigen zu diesem Projekt. Aus seiner Sicht wird sexueller Missbrauch an Kindern noch oft aus Scham vertuscht. „Zwischen dem Leiden der Opfer und der Wahrheit prangen Mauern des Schweigens“, formuliert Johannes Heibel. Das Denkmal soll dazu beitragen, diese Mauern zu durchbrechen. Heibel, der sich seit neun Jahren mit diesem Thema auseinandersetzt, will mit der Installation zum Nachdenken anregen und die Menschen dazu bringen, Kindesmissbrauch zu verhindern.

Statistiken zeigen, dass sexuelle Straftaten gegen Kinder in den vergangenen Jahren vermehrt angezeigt wurden. Eine traurige Spitzenposition nimmt dabei Berlin ein. Von den im Jahre 2001 in Deutschland 2745 angezeigten Fällen wurden 1551 in der Hauptstadt registriert. Das seien 304 Fälle mehr als im Vorjahr, sagt Polizeipressesprecher Klaus Schubert. Wie viele Täter allerdings verurteilt wurden, sei unbekannt, sagt Ariane Faust von der Senatsverwaltung für Justiz. Dazu gebe es keinerlei „statistische Erhebungen“.

Eine Spandauerin, die sich der „Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen“ anschloss, aber nicht ntlich genannt werden möchte, geht „von erheblich mehr Straftaten aus, die unbekannt bleiben“. Auch Vera Falck vom Verein „Dunkelziffer“ vertritt diese These. Eine Ursache für die Zunahme sei vor allem das Internet. „Jedes Bild ist ein realer sexueller Missbrauch“, sagt sie.

In diesen Tagen haben die Arbeiten an dem Mahnmal begonnen. Das rund 10 000 Euro teure Kunstwerk wird ausschließlich durch Sponsoren finanziert. Die Tempelhofer Ravené Possehl-Stahl AG liefert das Material, und Jugendliche der Innung für Metall- und Kunststofftechnik aus Kreuzberg schweißen die Teile zusammen.

Einen festen Standort für das Mahnmal gibt es noch nicht. Für Johannes Heibel stand von Anfang an fest, „dass so etwas an eine prominente Stelle in die Hauptstadt gehört“. Doch das Bundeskanzleramt erteilte für seine Umgebung eine Absage. Weil Heibel das FEZ von einer Fachtagung zum Thema „Sexueller Missbrauch“ kannte, wandte er sich an den Geschäftsführer Lutz-Stephan Mannkopf. Der befürwortet die Aufstellung des Käfigs auf dem Gelände auch – doch nur bis zum Juni 2003. „Wir wollen die Besucher für das Thema interessieren“, sagt der FEZ-Chef. So sollen während der Zeit auch Ausstellungen zum Thema Missbrauch gezeigt werden. „Aber“, so Mannkopf, „wir sind ein Veranstaltungsort, der häufig sein Gesicht wechselt, deshalb die zeitliche Begrenzung.“ Steffi Bey

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