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Berlin: Ein Leben in der heilen Welt voll guter Laune

Seine Fernsehserien waren Straßenfeger, seine Bühnenstücke in über 20 Ländern beliebt. Heute wird Curth Flatow 85

Als Curth Flatow im Frühjahr 1992 von Eberhard Diepgen zum „Professor ehrenhalber“ ernannt wurde, meldete er ironisch seine Bedenken an: „Ehrungen sind Alterserscheinungen“. Diese Diagnose war durchaus unzutreffend, denn Flatow, der meistgespielte deutsche Komödien-Autor, feiert am heutigen Sonntag, knapp dreizehn Jahre später, seinen 85. Geburtstag, und er tut das bei offenbar bester Gesundheit mit einem großen Fest im Capital Club am Gendarmenmarkt. Dort werden sich viele jener Prominenten einfinden, die den Autor schon ein halbes Leben freundschaftlich begleiten, der Film-Mogul Artur Brauner, Flatows gelegentlicher Co-Autor Horst Pillau, Wolfgang Spier, der viele Flatow-Stücke inszeniert hat, Brigitte Grothum und Friedrich Schoenfelder, die ihm serienweise humorige Rollen verdanken.

„Zwerchfell und Herz“ stand einmal im Tagesspiegel über der Rezension eines Flatow-Stücks, und damit sind die beiden Hauptansatzpunkte seines ausufernden Schaffens beschrieben. Er ist ein Unterhalter im altmodischen Sinn, dessen Witz nur selten die Grenze zur Satire, nie die Grenze zur Boshaftigkeit überschreitet. Seine Helden sind brave Zeitgenossen, die zwar oft den Boden unter den Füßen verlieren, sich aber auf die heilende Kraft des Happy Ends allemal verlassen können. Die übersichtliche, routiniert eingefädelte, bisweilen auch fließbandhafte Machart seiner Bühnenstücke hat ihm nie Elogen des Feuilletons eingetragen. Friedrich Luft merkte sogar spöttisch an: „Wirklichkeit kennt er nicht, jede Ähnlichkeit mit der Realität wäre zufällig, eher störend.“ Die Zuschauer aber mochten diese heile Welt voll guter Laune, in der es keine unlösbaren Konflikte gibt. Sie amüsierten sich in über 20 Ländern über die heiteren Verwicklungen seiner Stücke.

Das Geheimnis seiner größten Erfolge lag darin, dass er sie bekannten Schauspielern auf den Leib schneiderte. Inge Meysel war die Berliner Portiersfrau in „Das Fenster zum Hof“, Rudolf Platte gab den gereiften Ganoven in „Das Geld liegt auf der Bank“, Georg Thomalla servierte die Pointen als „Vater einer Tochter“ oder „Der Mann, der sich nicht traut“. Und das Fernsehen verdankt Flatow einige veritable Straßenfeger, vor allem die ZDF-Serie „Ich heirate eine Familie“ mit Peter Weck, in der er seine eigene Biografie verwertete; seine zweite, 15 Jahre jüngere Frau Brigitte Beelitz brachte zwei Kinder mit in die Ehe. Sein Versuch, sich mit dem Stück „Die Durchreise“ an einem ernsten Stoff, dem Schicksal einer jüdischen Modefirma in der NS-Zeit zu versuchen, wurde dagegen von der Kritik überwiegend als fragwürdig, zu harmlos abgetan.

Flatows Stücke werden zwar in ganz Europa gespielt, er gilt aber vor allem als authentische Stimme des Berliner Humors; er wurde nicht nur in der Stadt geboren, sondern auch durch seine Eltern einschlägig geprägt: Sein Vater war Humorist – heute würde man von Stand-up Comedian sprechen –, seine Mutter Chansonette. Dennoch schlug er zunächst aus der Art, arbeitete nach einer kaufmännischen Lehre in der Modebranche und wurde erst 1945 fürs Kabarett entdeckt, tingelte, trat als Conferencier im „Kabarett der Komiker“ auf, schrieb Zeitungskolumnen, textete für Kabarettsendungen des Rias, schrieb rund 30 Drehbücher, Liedtexte für Filme. Unter den erfolgreichen Unterhaltungsautoren war er ohne Frage der fleißigste.

Daran hat sich am 85.Geburtstag nicht viel geändert. Curth Flatow schreibt zurzeit an zwei Stücken gleichzeitig, und das mit großer Disziplin jeden Nachmittag. Und auch wenn das Boulevardtheater inzwischen von jüngeren, realitätsnäheren Autoren geprägt wird, ist er keinesfalls aus der Mode: Kürzlich hat Johannes Heesters mitgeteilt, er brauche dringend ein neues Stück.

Da allerdings war auch Curth Flatow mit seinem Bühnenlatein am Ende: Für Hundertjährige fallen dem 85-Jährigen keine Rollen ein.

Klaus Wowereit (SPD) hat Curth Flatow zu dessen 85. Geburtstag am Sonntag gratuliert. Schauspiel-, Film-, Fernseh- und Kabarettfreunde weit über Berlin hinaus dankten Flatow für sein unermüdliches Wirken als Autor, Dichter, Ideengeber, als „König des Boulevardtheaters“, schrieb der Regierungschef. Flatow verfüge als Urberliner über einen schier unerschöpflichen Humor und habe dies „in zig Komödien, Sketchen, Liedern und Filmen belegt“. Flatows große Kunst mache aus, dass er immer etwas zu den Fragen der Zeit zu sagen habe, so der Regierende Bürgermeister.ddp

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