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Berlin: Ein letzter Blick

Die Galerie C/O Berlin nimmt Abschied von Mitte. Besucher hinterlassen wehmütige Botschaften.

Das hat Christer Strömholm nicht verdient. Der Abschluss-Countdown zu seiner Ausstellung in der Fotogalerie C/O Berlin läuft – doch die Besucher widmen den Schwarz-Weiß-Motiven des schwedischen Fotografen nicht die volle Aufmerksamkeit. Ihre Blicke bleiben am blätternden Putz der Wände hängen, an den kunstvoll verzierten Bodenfliesen im Flur und den eindrucksvollen Säulen im Treppenhaus. Die meisten Anwesenden an diesem sonnigen Nachmittag haben Fotokameras dabei und machen Schnappschüsse zur Erinnerung.

Sie sind gekommen, um Abschied zu nehmen vom ehemaligen kaiserlichen Postfuhramt in der Oranienburger Straße in Mitte, dem Geburtsort von C/O Berlin. Zwei ältere Damen verschwinden auf der Frauentoilette, öffnen das Fenster zum Hinterhof. Ein letztes Mal betrachten sie die Graffiti verschmierte Häuserwand auf der gegenüberliegenden Seite, die Garagen mit den Dächern aus Wellblech. Ein kurzer Moment des Innehaltens, dann schließen sie das Fenster und setzen ihren Rundgang im Rest des Gebäudes fort.

Am heutigen Freitag läuft der letzte Ausstellungstag im ehemaligen Postfuhramt, bis 19.30 Uhr ist Einlass. Danach werden Christer Strömholms Arbeiten von den Wänden genommen, und auch die Bilder von Ulrich Seidl in der Turnhalle im ersten Stock werden abgehangen. Die große Abschiedsparty am Sonnabend soll in komplett leeren Räumen steigen. Statt zeitgenössischer Fotografie gibt es dann Musik von verschiedenen DJs, bis in die frühen Morgenstunden soll gefeiert werden.

Sieben Jahre residierte C/O Berlin im alten Postfuhramt. Nun ist das Gebäude an den Medizintechnik-Hersteller Biotronic verkauft und muss zum 15. März besenrein übergeben werden. Der neue Eigentümer hatte den Betreibern den Mietvertrag im vergangenen Jahr gekündigt und eine sogenannte Räumungsunterwerfung zustellen lassen. Demnach hätte die Galerie bereits zum 31. Dezember ausziehen sollen, was nur durch juristisches Vorgehen verhindert werden konnte.

Unterdessen bereiten die Betreiber von C/O Berlin ihren Umzug ins Amerika- Haus am Zoo vor. Das denkmalgeschützte Gebäude wird derzeit saniert; Fußböden und Decken müssen erneuert werden. Im Herbst soll die erste Ausstellung gezeigt werden. Konkreter will C/O-Sprecher Mirko Nowak vorerst nicht werden.

Dass die Galerie das alte Postfuhramt verlässt, bedauern viele der Besucher. Im Gästebuch am Eingang hinterlassen sie letzte Grüße. „Es ist eine Schande, dass dieses wunderschöne Gebäude für die Kunst verloren ist“, steht da auf Englisch. Und: „Wir werden euch sehr vermissen! Die Nachbarn aus der Krausnickstraße.“ Nana Heymann

Die Galerie ist am heutigen Freitag von 11 bis 20 Uhr geöffnet. Eintritt 10, ermäßigt 5 Euro. Die Abschiedsparty am Samstag steigt ab 21 Uhr und kostet 3 Euro Eintritt.

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