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Berlin: Ein letztes juristisches Fingerhakeln - Wie Berlin den unerlaubten Begriff "Erstes Gewächs" verfolgt

Weinetiketten sind eine hoch komplizierte Materie. Alle Aufschriften, die das Weingesetz nicht ausdrücklich erlaubt, sind verboten, und das Gesetz ist äußerst penibel.

Weinetiketten sind eine hoch komplizierte Materie. Alle Aufschriften, die das Weingesetz nicht ausdrücklich erlaubt, sind verboten, und das Gesetz ist äußerst penibel. Verboten ist es beispielsweise, die Bezeichnung "Erstes Gewächs" zu benutzen - ein heißes Eisen, denn viele qualitätsbewusste Winzer benutzen intern dieses dem französischen "Grand Cru" entlehnte Stichwort, weil sie damit Weinberge klassifizieren, die besonders hohe Qualität versprechen. Es gibt inzwischen ein "Comitee Erstes Gewächs", und dessen Umtriebe beschäftigen seit geraumer Zeit das Berliner Amtsgericht.

Ziel des enorm penibel geführten Strafverfahrens ist der Berliner Weinhändler Georg Mauer, der im vergangenen Jahr einen Strafbefehl über 4000 Mark erhielt. Sein Vergehen: Er soll Mitveranstalter einer Präsentation der betreffenden Winzer sein, auf der der inkriminierte Begriff "Erstes Gewächs" an drei Ständen auftauchte - in einem Buch, als Buchzitat in einem Prospekt und in einem weiteren Prospekt. Der amtliche Berliner Weinkontrolleur Peter Scheib vertritt die Auffassung, die Rechtslage zwinge ihn zu seinem scharfen Vorgehen; er findet sogar den Namen des Vereins bedenklich. Die Justiz der Weinanbauländer ist liberaler: Rheinland-Pfalz hat das Verfahren gegen einen der Winzer bereits eingestellt, die dortige Weinkontrolle sieht keinen Grund zum Einschreiten.

Gestern wurde vor dem Amtsgericht über Mauers Einspruch verhandelt. Ein schnelles Ende lag in der Luft, denn er machte deutlich, dass er dem Winzer-Verein lediglich bei der Organisation geholfen, also den vorgesehenen Raum im Hotel "Brandenburger Hof" besichtigt und Gläser beschafft habe. Dies bestätigte der Vizedirektor des Hotels, Markus Graf, der angab, den Vertrag mit den Winzern geschlossen zu haben.

Richter Konecny, ersichtlich mit den Feinheiten der Materie nicht vertraut, bot nach Klarstellung des Sachverhalts eine Einstellung des Verfahrens an, mochte sich aber nicht zu einem Freispruch durchringen: Es komme ja durchaus das Delikt der Beihilfe in Betracht, sagte er, ohne dies näher zu begründen. Denn dass Mauer möglicherweise einen der besagten Prospekte verteilt und insofern eventuell Beihilfe geleistet habe, stand nie zur Diskussion, auch die Ermittlungsakte gibt dafür nichts her. Mauer beharrt auf Freispruch, schon weil er nicht bereit ist, die anteiligen Verfahrenskosten nach einer Einstellung zu tragen.

So wird das Gericht bald erneut zusammentreten und dazu wohl auch eine Reihe der Winzer als Zeugen laden. Eine gewisse Eile ist zumindest psychologisch geboten, denn ab 1. August erlaubt eine neue, 1999 veröffentlichte Rechtsverordnung, praktisch alles nach Gusto aufs Weinetikett zu schreiben. Auch: "Erstes Gewächs".

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