zum Hauptinhalt

Berlin: „Ein Riesenrad am Gleisdreieck ist möglich“

Die neue Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer will mehr auf die Wünsche der Bürger hören

Nach Ihrer Wahl am Donnerstag haben Sie angekündigt, sich nicht nur um die großen Prestigeprojekte zu kümmern, sondern auch darum, dass sich die Leute in ihrem Kiez wohler fühlen. Was bedeutet das konkret?

Ich will die Bürger stärker als bisher einbinden. Damit haben wir uns in der Vergangenheit viel zu wenig auseinander gesetzt. Zum Beispiel bei der Gestaltung des Gleisdreicks sollten wir uns noch mehr auf die Bürger einlassen. Das bezieht sich für mich nicht nur darauf, wie der Park einmal aussehen wird, sondern auch, unter welchen Bedingungen hier ein Riesenrad errichtet werden kann.

Wie stehen Sie zu dem Projekt?

Ich habe mich noch nicht entschieden, aber ich denke, das Riesenrad ist möglich. Was wir an dieser Stelle nicht brauchen, ist weiterer Rummel, also keine Buden, die aufgebaut werden müssen, um das Riesenrad zu finanzieren. Auf der anderen Seite werde ich keine Investitionsruine dulden oder ein Risiko eingehen, dass in irgendeiner Weise das Land in die Pflicht genommen werden kann, um das Rad bei einer Insolvenz zu Ende zu bauen.

Wie weit soll die Einbindung der Bürger in die Stadtentwicklung gehen?

Wir bringen gerade ein Pilotprojekt mit dem Bezirk Mitte auf den Weg, um zu schauen, wie das konkret gehen kann. Ich will auf jeden Fall, dass Bürgerentscheidungen über die übliche Aussprache in den Bezirksgremien hinaus gehen. Warum nicht die Bürger mitentscheiden lassen, wie bezirkliche Gelder verwendet werden? Man muss dabei ja nicht das Budgetrecht der Bezirksverordnetenversammlung aushebeln.

Mehr Mitsprache auch beim Quartiersmanagement?

Unbedingt. Wir haben ja bei den bisherigen Ergebnissen des Quartiersmanagements gesehen, dass es besonders erfolgreich war, wenn es nicht nur zentral gesteuert wurde, sondern direkt am Ort, mit den Menschen, die dort leben.

Wollen Sie die Betroffenen auch bei der beantragten Schließung des Flughafens Tempelhof zum Herbst 2004 mitentscheiden lassen?

Es hat alles Grenzen. Die Politik kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Die Schließung des Flughafens ist von der Flughafengesellschaft beantragt worden. Eine – nicht weisungsgebundene – Behörde in unserem Haus entscheidet darüber.

Wann wird es so weit sein?

Die Luftbehörde entscheidet, wie gesagt, unabhängig. Einen Termin kann ich deshalb jetzt nicht nennen.

Sie wollen sich überall einmischen, mit den Bürgern und den Bezirken reden und auch bei einem besonders schwierigen Thema, dem Bau der Gedenkstätte „Topographie des Terrors“, kündigen Sie an, sich mit allen Beteiligten an einen runden Tisch setzen zu wollen. Das klingt nicht nach einem schnellen Ende des Dramas.

Die Auseinandersetzungen um die Topographie dauern nun schon zwölf Jahre, da werde ich mich nicht darüber streiten, ob es bis zur Entscheidung noch zehn Tage oder drei Wochen dauert. Wir werden uns mit allen Beteiligten zusammensetzen und auf Grundlage der Machbarkeitsstudie, die wir in Auftrag gegeben haben, diskutieren, ob der Entwurf des Architekten Peter Zumthor mit dem vorgegebenen Kosten von 38,8 Millionen Euro zu bauen ist oder nicht. Und wir werden fragen, wie Berlin und der Bund mit einem konkret einzuschätzenden Kostenrisiko umgehen. Wenn wir sagen müssen, Zumthor kann nicht gebaut werden, dann sind wir verpflichtet, auch darzustellen, was danach kommt und wie es weiter geht.

Wem muss die augenblickliche Situation besonders peinlich sein?

Ich will da niemanden verurteilen. Alle Beteiligten sagen, sie haben nichts falsch gemacht. Wir haben den Architekten und die Bauverwaltung, die bisher sagten, der Entwurf sei im Kostenrahmen zu machen…

Anders gefragt: Welche Verantwortung trägt der Architekt?

Auch der Architekt ist dem Kostenrahmen verpflichtet. Wir können nicht erpressbar sein, nur weil es hier etwas Besonderes zu bauen gibt oder weil wir die öffentliche Hand sind.

Diskussion gibt es auch wieder um das Kulturforum.

Das Kulturforum als Antwort des Westens auf die Teilung der Stadt hat als Ort eine gewisse Spannung. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Welche Spannung soll bestehen bleiben? Ich möchte nicht, dass der Blick vom Potsdamer Platz auf die Mathäikirche verbaut wird.

Bleibt es unter den Linden beim Baustopp für die U-Bahn-Linie U 5 zwischen dem Alexanderplatz und dem Brandenburger Tor, wo im August die Arbeiten für die Stummellinie U 55 vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor beginnen?

Wir haben mit dem Bund eine klare Verabredung, dass wir spätestens 2010 mit dem letzten Bauabschnitt beginnen. Ob wir bereits vorher starten können, hängt von den Finanzen ab. Aber spätestens 2010 geht es los.

Bleibt es auch beim Straßenbahnbau bei den bisherigen Verabredungen?

Ja. Priorität hat für mich die Verlängerung der Strecke von der Eberswalder Straße über die Bernauer Straße zum Nordbahnhof und weiter zur Invalidenstraße. Für den Abschnitt auf der Invalidenstraße zwischen der Chausseestraße und dem künftigen Hauptbahnhof läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren. Und wir bereiten weiter den Bau der Alex-II-Strecke vom Mollknoten bis zur Dircksenstraße vor.

Und was ist mit den Gleisen auf der Leipziger Straße?

Für diese Strecke haben wir derzeit kein Geld. Die vorhandenen Gleise bleiben aber selbstverständlich liegen.

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GSW soll demnächst verkauft werden. Mit Ihrer Unterstützung?

Ja. Es kommt natürlich auf den Verkaufspreis an, der deutlich höher sein muss als die damaligen Angebote. Auch der Mieterschutz muss gewahrt bleiben. Sind diese Bedingungen erfüllt, kann meines Erachtens verkauft werden. Der Senat wird sich allerdings nicht unter Druck setzen lassen. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen.

Mit der GSW ist die Privatisierung städtischen Wohnungseigentums abgeschlossen?

So ist es. Allerdings sind die Wohnungsunternehmen dabei, ihren Bestand zu analysieren: Wo gibt es Instandhaltungs- und Modernisierungsbedarf, welche Mieten sind wo gerechtfertigt? Außerdem soll die Wirtschaftlichkeit der Gesellschaften besser kontrolliert werden.

Das Gespräch führten Klaus Kurpjuweit, Matthias Oloew und Ulrich Zawatka-Gerlach

-

Zur Startseite