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Berlin: Ein Saarland jährlich: So viel zahlt der Bund für Berlin

Der Finanzminister alimentiert die Hauptstadt 2003 mit 3,3 Milliarden Euro. Bald könnte es doppelt so viel sein

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Im September wird der Bund von seiner Hauptstadt verklagt, um neue Finanzhilfen zu erzwingen, mit denen der Schuldenberg Berlins wenigstens teilweise abgebaut werden könnte. Tut der Bund nicht jetzt schon genug für die Haupstadt? Immerhin werden 2003 knapp 3,3 Milliarden Euro überwiesen. Damit könnte das Saarland seine Ausgaben ein Jahr lang bestreiten. Sollte Berlin die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gewinnen, müsste der Bund vielleicht schon ab 2007 die doppelte Summe überweisen.

Fast jeder dritte Euro, der in Berlin ausgegeben wird, käme dann aus der Bundeskasse. Eine Alimentierung, die der Rechtslage, aber nicht der besonderen Liebe zu Berlin geschuldet wäre. Die anderen Länder sähen das gar nicht gern. Und das steht Berlin schon heute zu:

Der größte Batzen sind die Bundesergänzungszuweisungen, die den leistungsschwachen Ländern gezahlt werden. Berlin bekommt in diesem Jahr 478 Millionen Euro zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs, 112 Millionen Euro für „überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung“ und 2 Milliarden Euro zum Abbau teilungsbedingter Sonderlasten. Darin enthalten ist die Investitionsförderung „Aufbau Ost“ in Höhe von 606 Millionen Euro. Die teilungsbedingten Zuweisungen werden bis 2019 auf 400 Millionen Euro zurückgefahren, weil der Bund hofft, bis dahin auch an der Spree blühende Landschaften vorzufinden.

Das ist viel Holz, aber darf man nicht vergessen, dass der Bund nach der Vereinigung Deutschlands an Berlin viel Geld gespart hat. Die Bundeshilfe, die West-Berlin seit den fünfziger Jahren zustand, wurde ab 1991 rasant zurückgefahren. Experten schätzen, dass der Stadt dadurch bis 2001 rund 38 Milliarden Euro finanzielle Unterstützung durch den Bund entgangen sind. Aber jammern hilft nicht; es gilt nur, was ist.

Zu dem, was ist, gehören die Hauptstadtverträge. Für die innere Sicherheit im Regierungs- und Parlamentsviertel – den Personen- und Objektschutz sowie die Feurwehr – werden jährlich 38,3 Millionen Euro überwiesen. Der Senat hielte 109 Millionen Euro für angemessen. Die hauptstädtische Kultur lässt sich der Bund jährlich 52,9 Millionen Euro kosten. Damit werden die Sanierung der Museumsinsel, ein Fördertopf für attraktive Kulturprojekte (Hauptstadtkulturfonds), das Jüdische Museum, die Berliner Festspiele, das Haus der Kulturen der Welt und der Martin-Gropius-Bau finanziert. Einen zusätzlichen Obolus erhält die Staatskapelle. Ab 2004 hofft der Senat auf weitere 33 Millionen Euro, sonst werden zwei Berliner Opern zusammengelegt.

An der städtebaulichen Entwicklung des Parlaments- und Regierungsviertels im Spreebogen (Gesamtkosten: 560 Millionen Euro) hat sich der Bund seit 1994 zu 64 Prozent beteiligt. Und im Hauptstadtfinanzierungsvertrag aus dem gleichen Jahr verpflichtete sich die Bundesregierung, insgesamt 500 Millionen Euro für hauptstadtbedingte Investitionen zu zahlen. Das meiste Geld floss in den Verkehr. Die Hauptstadtverträge laufen im nächsten Jahr aus; die Nachverhandlungen sind schwierig.

Was bezahlt der Bund noch: Jeweils die Hälfte der Investitionskosten für Hochschuleinrichtungen (49 Millionen Euro) und der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (93,6 Millionen Euro). Sogar die Berliner Landwirte gehen nicht leer aus (102 000 Euro). Vom Mineralölsteueraufkommen des Bundes (49,6 Millionen Euro) profitiert der öffentliche Personennahverkehr und der Straßenbau. Der Bund finanziert Projekte mit, die aus Förderprogrammen der EU bezuschusst werden. Und in den Gesundheits- und Sozialbereich fließt viel Geld. In der Gesamtschau werden in diesem Jahr – neben den Bundesergänzungszuweisungen – 701 Millionen Euro an die Landeskasse überwiesen. Macht alles zusammen: knapp 3,3 Milliarden Euro.

Doch selbst bei sparsamster Haushaltsführung kann Berlin mit diesem „Zubrot“ nicht überleben, weil die Hauptstadt nach der Wende die öffentlichen Ausgaben nicht in den Griff bekommen hat. Es wurden Schulden angehäuft (Ende 2003 voraussichtlich 51 Milliarden Euro), die jährlich fast drei Milliarden Euro Zinsen kosten. Zu den Kreditzinsen kommen die Schuldendiensthilfen der Wohnungsbauförderung hinzu. Bald wird die Zinslast so groß sein, dass sie alle anderen Einnahmen großenteils auffrisst. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnete vor: Um die Zinskosten langfristig auf erträgliche zwei Milliarden Euro jährlich zu begrenzen, muss der Bund 33 Milliarden Euro Entschuldungshilfe zahlen. Vielleicht auf zehn Jahre verteilt, damit nicht auch noch der Bundeshaushalt zusammenbricht.

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