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Um wieder Einnahmen zu generieren, lässt der Chef der Merchandising-Hauptstadtmarke „Max.2001“ seine Lager mit Souvenirs räumen und bietet sie vergünstigt an.

© Doris Spiekermann-Klaas/TSP

Ein Stück Berlin ganz billig: Souvenirkette muss Läden schließen – und macht großen Ausverkauf

Der Inhaber der Merchandising-Hauptstadtmarke Max.2001 muss einige Filialen zumachen. Es mangelt an Touristen. Nun will er Berliner als Kunden gewinnen.

Zwei Monate, April und Mai, mit null Euro Umsatz und jetzt gerade mal 20 bis 30 Prozent vom Vorjahresergebnis: Thomas Thiele hat eine harte Wochen hinter sich. Mangels Touristen sind natürlich auch die Souvenirs, die Taschen, Tassen und T-Shirts mit Berlin-Logo, mit denen der Geschäftsführer der Hauptstadtmarke Berlin Max2001 handelt, nicht so gefragt wie sonst. Deshalb hat er sich entschlossen, die vollen Lager teilweise zu räumen, um endlich wieder Einnahmen zu generieren.

Von seinen elf Geschäften in Berlin machen einige einen großen Ausverkauf mit Preisnachlässen bis zu 50 Prozent. Er hofft auf Berliner als neue Kunden, weshalb er die Sonderangebote in den Geschäften am Zoo, in der Tauentzienstraße und im Kranzler-Eck platziert hat.

Also dort, wo auch die Einheimischen shoppen, und nicht etwa an den Orten, wo sich vorzugsweise Touristen tummeln, wie am Reichstag beispielsweise. Erfahrung mit Berliner Kunden hat Thiele auch vor der Krise schon gesammelt mit seiner Kollektion „Berlin für Berliner“, die es in Supermärkten nicht nur am Hauptbahnhof, sondern auch in den Randbezirken gibt.

Obwohl das vergangene Jahr sehr gut gelaufen ist, „müssen wir einige Filialen schließen“. Die Vermieter seien nicht bereit, ihm entgegenzukommen. Man könne sich ja vorstellen, wie hoch die Mieten in den begehrten Lagen, etwa am Kurfürstendamm, sind.

In der Tauentzienstraße, am Zoofenster und auf dem Hardenbergplatz müssen die Läden schließen. Bei weiteren Standorten laufen die Verhandlungen noch. Für Thiele steht fest: „Schon aufgrund der Rechtslage sind die Vermieter die großen Gewinner der Stunde.“

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Zwar habe man bis Mitte 2022 Zeit, wegen der Coronakrise gestundete Mieten zurückzuzahlen. Die Mieter seien aber berechtigt, dafür 8,12 Prozent Zinsen zu nehmen. „Wo kriegt man heute so hohe Zinsen?“ Er hat das juristisch überprüfen lassen.

Am einfachsten, glaubt er, wäre es doch, wenn sich die Vermieter das Geld direkt von der Bundesregierung zurückholten. Besonders die Vermieter, bei denen große Fonds dahinterstecken, seien sehr schwierig. Bei denen verhandele man noch mit der Justizabteilung. Das ist schlecht, „denn gerade im Moment könnte man auch ein bisschen Menschlichkeit vertragen“.

Noch kann er die 50 Mitarbeiter halten

Seit mehr als 25 Jahren gibt es das Souvenir-Unternehmen schon. Die Produkte sind leicht erkennbar an dem Berlin-Logo auf bunten Würfeln. Über die Jahre habe es natürlich immer Hochs und Tiefs gegeben.

Der Anschlag vom Breitscheidplatz hat zeitweise Touristenzahlen gesenkt, auch hat sich das Geschäft von der City-West mehr nach Mitte verlagert. Sorgenkinder aufgrund äußerer Umstände gibt es auch immer. An der Gedächtniskirche stören die Baugerüste, in der Mall of Berlin die aus seiner Sicht unfairen Verträge, bei denen die kleinen Mieter zum Teil die Nebenkosten für die großen Ankermieter mitbezahlen müssten.

Bis vor vier Monaten hatte er ein erfolgreiches Unternehmen. Gerade das vergangene Jahr sei sehr gut gelaufen. Das habe ihm auch geholfen bei den Gesprächen mit den Banken. Noch kann er die rund 50 Mitarbeiter halten, nur auslaufende Verträge werden nicht verlängert.

Einen Kühlschrank-Magneten gibt es für zwei Euro.
Einen Kühlschrank-Magneten gibt es für zwei Euro.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Zwei Standbeine hat er zusätzlich, die in der Krise helfen: Einem großen Verlag liefert er Postkarten, Kugelschreiber und andere Accessoires, die es nicht nur in Berlin zu kaufen gibt, sondern auch in Urlaubsregionen an der Nord- und Ostsee, in Hamburg, Heidelberg oder im Schwarzwald.

Allerdings haben ihm auswärtige Kunden schon zu verstehen gegeben, dass sie im nächsten Jahr keine Ware brauchen – ihre Lager sind noch voll. Trotzdem: Seine Versuche, weitere Kredite zu besorgen, zeigen auch den Mitarbeitern: „Wir kämpfen!“

Es soll einen neuen Laden am BER geben

Obwohl er Läden schließen muss, um Kosten zu sparen, ist er gerade dabei, in ein neues Geschäft zu investieren. „Wir haben die Ausschreibung gewonnen, im BER-Flughafen einen Laden zu bauen.“ Das sei natürlich paradox, dass man einerseits sein Geld zusammenhalten und andererseits in einen neuen Laden investieren müsse.

Irgendwie „doppelt tragisch“, da ja nichts so funktioniere wie vor der Krise gedacht. „Gerade jetzt“, sagt er, „wäre die Stadt eigentlich voller Touristen.“ Dabei sieht der Restart der Tourismusbranche ganz flott aus. Eine Frau, von hinten sichtbar mit wehender gelber Jacke, fährt mit dem Rad übers Tempelhofer Feld. „Berlin. Auch das.“, steht über der Kampagne. Berlin hat Plätze, die sich zum Abstandhalten besonders gut eignen.

Die Berlin-Souvenirs sind jetzt günstig: Ein Kühlschrank-Magnet kostet zwei Euro, ein Turnbeutel mit Berlin-Aufdruck 3,50 Euro. Auch Shorts und Schirme mit Logo, Kulis und die Etuis dafür, Hoodies, Gürtel, Punk- und Hippie-Enten sind im Angebot.

Den Sprecher von visitBerlin, Christian Tänzler, wundert der Ausverkauf nicht. „In den Corona-Monaten hatten wir einen Rückgang des Geschäfts von über 95 Prozent“, sagt er. Bis zum 25. Mai seien Hotelübernachtungen vor allem Geschäftsleuten und medizinischem Personal vorbehalten gewesen.

Für viele Hotels geht es ums Überleben

So langsam komme das Geschäft zwar wieder. Aber die Auslastung liege immer noch bei nur 30 bis 35 Prozent. Die Hoffnung liegt auf dem Herbstgeschäft, normalerweise Saison für Tagungen und Kongresse. Die Branche spekuliert auf Förderung vom Senat. „Auch kleinere Veranstaltungen, die jetzt noch vorbereitet werden können, bringen Geld in die Kassen.“

In dieser Krise sei vor allem deutlich geworden, wie vernetzt die Tourismuswirtschaft in Berlin ist. Für viele Hotels geht es ums Überleben. Besonders Luxushotels und Häuser, die sich auf die Märkte in Asien und den USA konzentrieren, haben ihre Gäste noch nicht wiederbekommen.

Wer sich immer schon auf den deutschsprachigen Raum konzentriert hat, sieht hingegen, dass es „von Woche zu Woche bergauf“ geht. Betroffen sind aber auch der Einzelhandel, die Ausflugsschifffahrt, bestimmte Restaurants und Clubs. Alles können Einheimische nicht wettmachen.

Souvenirhändler Thomas Thiele kennt viele Orte in der Stadt, an denen normalerweise fast ausschließlich Touristen ihr Geld ausgeben. Ab September, glaubt er, kommt die große Insolvenzenwelle. Er hofft, dass er selber die Zeit mit Hilfe der einheimischen Kundschaft überlebt.

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