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Berlin: Ein Traum von Saum

Linda Eilers hat ein Nähatelier in Kreuzberg. Dort kann man Kaffee trinken und Geschenke schneidern

Zwei große, grüne Augen blicken durch die Glastür. Der schlanke Kater Franz sieht jeden kritisch an, der rein will. Schließlich ist er eine Art Wachkatze im ersten Nähcafé Berlins: dem „Stitch’n Bitch“ an der Wrangelstraße in Kreuzberg. Ein Nähcafé? „Mein Vorbild waren die Internetcafés“, sagt Betreiberin Linda Eilers. Statt Computern hat die Holländerin zehn Nähmaschinen in einen Ladenraum gestellt – jeder, der vorbeikommt, kann sich an einen der Tische setzen und losnähen. Für fünf Euro pro Stunde. Im Preis inbegriffen: guter Rat und Hilfe von Schneiderin Eilers – und eine Tasse Kaffee oder Tee.

Mit dem Laden hat sich Linda Eilers einen Traum verwirklicht. Das war nur möglich, weil sie ihrer Heimatstadt Utrecht den Rücken gekehrt hat. „In Holland hätte ich das nie geschafft“, sagt die 29-Jährige. Die Mieten seien dort viel höher, ebenso die Auflagen und Anforderungen an Unternehmensgründer. Im August zog sie nach Berlin – mit Franz im Gepäck. Schon einen Monat später eröffnete sie das Café.

Als Firmengründerin ist Linda Eilers ein Neuling, als Schneiderin ein alter Hase. Mit vier Jahren hielt sie zum ersten Mal eine Nadel in der Hand: „Damals habe ich Stoffreste von meiner Mutter an meinem Teddybären festgenäht.“ Die Mutter war Schneiderin und brachte Linda das Nähen bei. Mit sechs zeichnete sie Schnittmuster für Puppenkleider, mit 15 nähte sie die erste „richtige Hose“. „Das hat noch nicht so schön ausgesehen. Sie war ein einziger großer Fehler.“

Nach vielen Kursen und Seminaren ist Linda Eilers jetzt ein Hosenprofi: Zurzeit näht sie an ihrer ersten Jeans-Kollektion. „Wenn der Stoff bei einem Kleidungsstück richtig fällt, ist das ein großartiges Gefühl.“ Ein bisschen ist ihr Faible fürs Nähen pure Notwendigkeit. „Mit meinen Einsfünfundachtzig finde ich kaum passende Kleidung.“ Deshalb ist fast alles, was sie trägt, selbst geschneidert.

Wenn Menschen vor dem Laden stehen bleiben, dann meistens wegen der bunten Taschen im Schaufenster. „Bag me over“ heißt ein weiteres Projekt der Schneiderin: Wer seine kaputte Tasche bei ihr abgibt, bekommt sie drei Wochen später heil oder neu gestaltet zurück.

Die schönste Belohnung für Linda Eilers ist, wenn Kunden in ihren alten, neuen Sachen am Geschäft vorbeilaufen. Da ist der junge Mann, dem sie geholfen hat, eine alte Armeejacke vom Flohmarkt zum Designerstück zu machen. Die fällt jetzt richtig auf – mit ihrem gelben Reißverschluss.

Ein Drittel ihrer Kunden seien Männer, sagt Linda Eilers. Viele wohnen in der Nähe des Ladens, aber einige kommen auch aus entfernteren Stadtteilen – aus Pankow etwa. Und alle sind typische Berliner: Kreativ und aufgeschlossen für Neues, findet die Holländerin. „Berlin ist die beste Stadt der Welt. Franz ist hier voll glücklich.“ Das gilt nicht nur für ihren Kater: „Ich will für immer hierbleiben“, sagt Linda und lächelt.

Stitch’n Bitch Nähcafé, Wrangelstraße 80 in Kreuzberg, Tel. 0152-01375225, www.linkle.de

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