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Berlin: Ein Vollzugsproblem

Grundsteinlegung für Sicherungsverwahrung Ex-Häftlingen steht mehr Platz zu.

Von Fatina Keilani

Am Freitag legt Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Tegel den Grundstein für einen Neubau, in dem später die Sicherungsverwahrten wohnen sollen. Doch vorher machten ihm erst einmal einige Tegeler Gefangene Ärger. Sie drohten mit „Revolte“ und „Hungerstreik“ aus Protest gegen die Haftbedingungen. Die sind ein Dauerthema seit Jahren.

Die Zellen sind in menschenrechtswidriger Weise zu klein, zum Teil doppelt belegt, und auch bei der Entlassung nach zwei Dritteln der Haft, die eigentlich die Regel sein sollte, ist Berlin weit unterm Schnitt. Die protestierenden Häftlinge bekamen im Lauf des Donnerstags allerdings schon einen Teil ihrer Forderungen erfüllt; der Aufstand fiel dann aus. „Nunmehr können wir heute erfreulicherweise vermelden, dass die Doppelbelegung (mehrere Insassen auf einer Zelle) in der Teilanstalt VI der JVA Tegel beendet ist“, teilte die Gefangenenzeitschrift „Lichtblick“ mit. Auch würden nun wohl wie gefordert doch keine Sozialarbeiter entlassen, jedenfalls vorerst.

Wobei zu trennen ist: Das eine ist Strafhaft, das andere Sicherungsverwahrung. Für beides hat das Land neue Gesetze in Arbeit; das über die Sicherungsverwahrung wird kommende Woche im Abgeordnetenhaus behandelt. Wer in Sicherungsverwahrung ist, der hat seine Strafhaft abgesessen. Er ist nur noch eingesperrt, weil die Gesellschaft vor ihm geschützt werden soll. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht das sogenannte Abstandsgebot erfunden: Zu den Lebensbedingungen in der Strafhaft muss ein gebührender Abstand bestehen. Mit anderen Worten: Sicherungsverwahrte müssen so ähnlich leben können wie Menschen in Freiheit, nur eben eingesperrt. Wenn der Neubau fertig ist, stehen für maximal 60 Sicherungsverwahrte 3200 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung; derzeit gibt es in Berlin 37 Verwahrte im Gefängnis.

Künftig bekommt jeder eine Zelle von rund 20 Quadratmetern mit eigener Sanitärzelle; zudem werden Gemeinschafts- und Fitnessräume, Küchen und eine Werkstatt errichtet. Anfang 2014 soll Einzug sein. Allerdings endet die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Frist für die Unterbringung der Sicherungsverwahrten am 31. Mai 2013. „Berlin ist viel zu spät dran“, stellt der grüne Rechtspolitiker Dirk Behrendt deshalb fest. „Heilmann ist seit einem Jahr im Amt. Das wäre schneller gegangen. Sehenden Auges in einen verfassungswidrigen Zustand zu laufen, ist ja immer schlecht.“

Das weiß man auch in der Justizverwaltung. „Ab 1. Juni 2013 haben wir eine Übergangsregelung“, teilte Heilmanns Sprecherin Lisa Jani mit. In der Teilanstalt V sollen die Sicherungsverwahrten dann jeweils zwei Zellen statt einer bekommen. Durchbrüche würden während der Übergangszeit aber nicht gemacht.

Es laufen derzeit einige Klagen von Häftlingen auf Entschädigung wegen der Haftbedingungen. Auch Sicherungsverwahrte klagen – weil man sie zu spät freigelassen habe. In Karlsruhe haben vor wenigen Tagen vier Straftäter wegen überlanger Sicherungsverwahrung Entschädigungen zwischen 49 000 und 73 000 Euro vom Oberlandesgericht zugesprochen bekommen. Fatina Keilani

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