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Berlin: Ein Wiener in Berlin: Das Antiquariat des Herrn Magister

"Das mit den Büchern ist eine Hassliebe", sagt Michael Schrottmeyer und lässt den Blick über seine Regale schweifen. Schrottmeyer ist Antiquar aus Leidenschaft - und das ist sein Verhängnis: Die Lederausgaben, Bildbände und Taschenbücher bereiten ihm viel Arbeit, und er verdient nur wenig an ihnen.

"Das mit den Büchern ist eine Hassliebe", sagt Michael Schrottmeyer und lässt den Blick über seine Regale schweifen. Schrottmeyer ist Antiquar aus Leidenschaft - und das ist sein Verhängnis: Die Lederausgaben, Bildbände und Taschenbücher bereiten ihm viel Arbeit, und er verdient nur wenig an ihnen. Nach Berlin kam der heute 35-jährige Österreicher einst auch nicht, um Bücher zu verkaufen, sondern um sie zu lesen. In Geographie wollte er promovieren - doch dann überlegte er es sich anders. "Ich bin Magister, das langt", sagt der Buchhändler mit unüberhörbarem Wiener Zungenschlag.

Hell und ordentlich ist das Antiquariat an der Warschauer Straße 60, das Schrottmeyer vor eineinhalb Jahren mit seiner Freundin eröffnete. An den weißen Wänden hängen schlichte Regale mit sauber aufgereihten Büchern. Keine Spur vom muffigen Charme anderer Antiquariate. Um Wühltisch-Atmosphäre im Laden zu vermeiden, hat er die Bücher für fünf Mark das Stück auf den Bürgersteig gestellt. "Uns kommt die Verkehrssituation in der Warschauer Straße zugute. Die Leute müssen zum Umsteigen ein Stück zu Fuß zurücklegen. Darum haben wir viel Laufkundschaft", sagt Schrottmeyer. Doch seinen Lebensunterhalt bestreitet er nach wie vor als Organisator zweier Kunst- und Trödelmärkte. Nur die Ladenmiete kommt wieder rein. Den Schwerpunkt im Buchbestand bilden die Schönen Künste sowie Geisteswissenschaften und Philosophie. Im hinteren Ladenteil steht eine Schallplattenkiste mit Literaturvertonungen und Jazz-Spezialitäten. Schrottmeyer selbst hat viel für Cool Jazz übrig. Und er schätzt - wie könnte es bei einem Wiener anders sein - eine gute Tasse Kaffee: "Die Espressomaschine im Laden fehlt leider noch".

Dabei könnte er sich mit etwas Glück sogar eine exklusive italienische Sonderanfertigung leisten - falls er nochmal einen so spektakulären Fund machen sollte wie 1992, während seiner ersten Tage in der Stadt. Durch Zufall rettete er drei Kisten vor dem Altpapier. Der Inhalt: Handgezeichnete Atlanten und alte Mathematiklehrbücher aus Russland. Verkaufserlös: mehr als 4000 Mark. Viel zu wenig, vermutet er zwar mit seiner heutigen Erfahrung. Michael Schrottmeyer nimmt es jedoch auf Wiener Art - gelassen.

Johannes Metzler

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