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Berlin: Einbruch im Museum war kein Kunststück

Brücke-Diebstahl: 44-jähriger Bosnier verriet sich durch Briefe und legte im Prozess ein spektakuläres Geständnis ab

Der Bosnier Milenko F. wollte es ganz geschickt anstellen. Heimlich schrieb er Briefe, die einen ebenfalls inhaftierten Komplizen erreichen sollten. „Gegen dich haben sie die meisten Beweise, wenn du gestehst, könntest du mich befreien.“ Dieser und fünf andere Kassiber haben den mitangeklagten Kunstdieb Ivan P. nicht erreicht. Sie wurden in der Zelle von Milenko F. gefunden und entlarvten den Bosnier. Zu Beginn des Prozesses um den spektakulären Kunstdiebstahl im Brücke-Museum legte er gestern ein Geständnis ab. „Es tut mir Leid, dass ich das mir eingeräumte Gastrecht missbraucht habe“, sagte der Bosnier. Die Richter verurteilten Milenko F. wegen schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft. Gegen einen Hehler erging eine zweijährige Bewährungsstrafe.

„Ich hätte nie gedacht, dass ein Museum mit so wertvollen Gemälden so wenig gesichert sein kann“, sagte der 44-jährige F., einer von insgesamt vier Angeklagten. Er will den modernen Beton-Flachbau des Brücke-Museums für eine üppig ausgestattete Villa gehalten haben. Die Richter gingen aber davon aus, dass er spätestens im Museum von wertvollen Bildern ausgehen musste. Seine Aufgabe sei es gewesen, einen Maschendrahtzaun zu zerschneiden, sagte der Bosnier. Seine Komplizen hätten mit Hammer und Kuhfuß Fensterscheiben zerschlagen. „Ich nahm drei Bilder ab und verließ das Gebäude“, berichtete F. Erst nach und nach sei ihm klar geworden, „welchen Stellenwert das Brücke-Museum hat“. Insgesamt neun Gemälde von Erich Heckel, Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein im Gesamtwert von 3,66 Millionen Euro hatten die Diebe mitgenommen.

Milenko F. sagte, der Angeklagte P. und ein bislang flüchtiger Mann seien an dem Einbruch beteiligt gewesen. Die Hilfsmittel hatte einer der Täter kurz zuvor in einem Baumarkt gekauft. Über eine Signallampe an der Front des Museums stülpten sie einen Karton, die Klingel der Alarmanlage wurde mit Bauschaum erstickt. Die Täter lösten allerdings Alarm aus, als sie die Fensterscheiben einschlugen. Und obwohl die Polizei schon vier Minuten später eintraf, waren die Einbrecher mit ihrer Beute weg – geflohen mit einem gestohlenen Audi, den die Polizei drei Tage später fand.

Die Polizei vermutete zunächst, dass die zwischen 1908 und 1930 entstandenen Werke in den Ostblock verschoben wurden. Einen Monat später aber kamen die Ermittler der Bande auf die Schliche. Milenko F., Ivan P. und der flüchtige J. waren zwei Wochen nach der Tat in Dahlem geschnappt worden, als sie gerade in ein Optiker-Geschäft in Wedding eingestiegen waren. Der nun als Kunstdieb gesuchte J. allerdings konnte wieder nach Hause gehen, weil er im Gegensatz zu seinen beiden Komplizen einen festen Wohnsitz in Berlin hatte. Wieder vergingen einige Wochen, bis klar wurde, was für einen Fang die Polizei gemacht hatte. Ein DNA-Vergleich ergab, dass eine im Museum und im Fluchtauto gefundene Blutspur von Ivan P. stammt.

Nach einem Tipp wurden schließlich mehrere Hehler festgenommen und die kunsthistorisch bedeutsamen expressionistischen Werke in einer Wohnung in Tempelhof sichergestellt. Sie waren aus den Rahmen geschnitten, lagen aufgerollt in einer Tasche. Von Pechsteins „Jungem Mädchen“ allerdings war nur eine Hälfte da. Die Täter hatten das Gemälde in der Mitte durchgeschnitten. Die zweite Hälfte wurde erst Mitte Juni nach einem Tipp in einem Waldstück an der Bundesstraße 96 südlich von Berlin gefunden. Wer das auf 250 000 Euro geschätzte Werk zerstörte, ist noch unklar. Er sei über das Zerschneiden „schockiert“ gewesen, sagte F. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass acht bis neun Täter an dem Einbruch beteiligt waren. Nach Angaben des Bosniers stammte die Idee „am wahrscheinlichsten von J.“. Der Deutsche Petar B., ein ehemaliger Wirt, will im Auftrag von J. nach Käufern der eigentlich unverkäuflichen Kunstwerke gesucht haben. Gegen die beiden Angeklagten Ivan P. und Bratislav S. geht der Prozess in einer Woche weiter.

Kerstin Gehrke

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