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Berlin: Eine Angeberei zu viel

Wie die Polizei auf die Spur der jungen Kneipenräuber kam – und was sie in deren Wohnungen so alles fand

Ihre Angeberei wurde den Kneipenräubern zum Verhängnis. Einen teuren Jaguar XT hatten sie sich beim Autoverleih gemietet, damit kurvten sie nachmittags durch Neukölln. Und fielen prompt Zivilfahndern auf. Denn vor allem das Gesicht eines 16-jährigen Syrers, der schon einschlägig bekannt war, hatte sich den Fahndern eingebrannt. Stunden später sahen sie das Quartett wieder, dann in einem Opel Vectra. Bei der Überprüfung der Fahrzeuginsassen versuchte ein 18-Jähriger einen Rucksack zu verstecken, vergebens. Die Beamten fanden eine Schreckschusswaffe, Sturmhauben und einen Schlagstock. Das war am 7. Januar.

Zu dieser Zeit hatten die 16 bis 18 Jahre alten Neuköllner schon 22 Eckkneipen überfallen, immer mit gnadenloser Brutalität. Gestartet hatten die Kneipenräuber am 5. Oktober am Reichweindamm, bei allen Überfällen zusammen erbeuteten die sechs Täter lediglich magere 12 000 Euro. Mehrere Kneipenwirte hatten sie dafür krankenhausreif geschlagen, einem wurde die Kopfwunde mit 17 Stichen genäht. Doch die Polizei konnte ihnen damals noch nichts nachweisen, sie kamen wieder frei. Die Fahnder aber ahnten: Das sind die Kneipenräuber. Die Waffe ging sofort in die Polizeitechnik, schließlich hatten die Täter in einer Kneipe ein Magazin verloren. Und sofort wurde das Raubdezernat im Landeskriminalamt informiert. Dessen Chef Manfred Schmandra horchte auf – denn bis zu diesem Tag hatte er immer nur sagen können: „Wir wissen eigentlich gar nichts.“

Denn die Räuber schlugen unvermittelt zu, meist zu dritt oder zu viert, an wechselnden Orten, sie hinterließen so gut wie keine Spuren und Hinweise der Opfer gab es ebenfalls kaum. Nur einen: Ein Passant hatte bei einem Überfall einen Opel Vectra gesehen. Das reichte der Staatsanwaltschaft aus, um eine Telefonüberwachung zu genehmigen.

Das half. „Hast du die Waffe?“, wurde da am Telefon gefragt. Es sollte weitergehen, die Heranwachsenden fühlten sich wieder sicher, da sie die Polizei gehen ließ. Am Sonnabend um 20 Uhr ging es los. Mit einem gemieteten Toyota-Geländewagen kurvten sie zu viert durch Berlin, gegen 22 Uhr begannen sie in Steglitz langsam an Lokalen vorbeizufahren. Dann ging es nach Wedding und nach Charlottenburg Nord. Das mobile Einsatzkommando (MEK) immer hinterher.

Gegen Mitternacht fuhr der Toyota am „Bären“ vorbei, wo am 5. Oktober die Serie begonnen hatte. Auch dort saßen noch zu viele Gäste am Tresen. Am Halemweg entdeckte das Quartett die Pinte „Zum Zentrum“. Sie stoppten, stiegen aus, zogen sich die Masken über – und wurden in Sekunden von den Beamten zu Boden geworfen. Einem Täter gelang die Flucht, er wurde 100 Meter weiter am Siemensdamm gestellt. Es war aus. Da einer der vier am Sonntagmorgen im LKA am Tempelhofer Damm zu plaudern begann, konnten im Verlauf des Tages zwei weitere junge Türken festgenommen werden.

Eines wollten sich die Jungs übrigens nicht nachsagen lassen: Dass sie Angst vor dem Osten hatten. „Dort kennen wir uns nicht aus“, gaben sie zu Protokoll. Bei ihren Überfällen hatten sie sich auf den Westen beschränkt. Zudem gestanden sie zwei Überfälle auf Lottoläden. Bei Hausdurchsuchungen – alle wohnten bei ihren Eltern – wurden die Fahnder fündig. „Sie haben blöderweise die Geldbörsen der Opfer aufbewahrt“, sagte ein Ermittler. Und Waffen: Acht Schreckschusspistolen, Schlagstöcke und viel Munition.

Die vier Türken, ein Iraker und ein Syrer hatten sich im Kiez kennen gelernt, beim Herumlungern auf den Straßen rund ums Rathaus. Keiner hatte einen Schulabschluss. Alle waren der Polizei bekannt, der Jüngste, der 16-Jährige, hatte am meisten auf dem Kerbholz. Ein 18-Jähriger gilt als Kopf, er hatte als einziger einen Führerschein und durfte sich Papas Opel leihen. Er war bei 17 Taten dabei, einer bei 12, einer bei 8. Es wartet das Jugendgefängnis, für die Haupttäter wohl für mehrere Jahre, hieß es bei der Justiz. „Jetzt kann man wieder ruhig sein Feierabendbier trinken gehen“, sagte Polizeipräsident Glietsch.

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