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So geht gute Laune. Sven van Thom ist in einem Brandenburger Dorf aufgewachsen und hat früher mit seinem Opa Schlager gehört.

© Anna Witzel/promo

Eine Begegnung mit Sven van Thom: Ronny, gefangen im Körper eines Sven

Sven van Thom ist in diesem Jahr Dauergast in der Bar jeder Vernunft. Albern sein, das kann der Brandenburger. Dabei ist vieles ganz schön ernst.

Er trägt jetzt beige. Und das allein ist schon eine Revolution. Kostümwechsel zur Baumarktweste. „Zum ersten Mal in meiner Karriere“, sagt Sven van Thom bedeutungsschwer und zieht eine Augenbraue hoch. „Das ist eigentlich schon das Highlight nach der Pause.“ Also: „Die Pause ist eigentlich das Beste.“

Sven van Thom, alberner Künstlername des Mannes, der eigentlich Sven Rathke heißt, sitzt in der schmalen Garderobe der Bar jeder Vernunft in Wilmersdorf und nippt an einem Milchkaffee. Er mustert sich kurz im Theaterspiegel mit den großen Kugellampen: Bubigesicht, Nerdbrille, graue Stoffhose, blauer Strickpulli, Typ Michael J. Fox., der zwar nächstes Jahr 40 wird, aber immer irgendwie aussehen wird wie zwölf. Er grinst fast ein bisschen scheu, hört er oft, sagt er. „Manchmal sagen die Leute nach der Show: Du siehst ja viel älter aus in echt.“ Oder umgekehrt.

Auf der Bühne jedenfalls fühlt er sich offensichtlich wohler. Keine Spur von Schüchternheit mehr bei dem, was er da macht. Ja, was eigentlich? „Viel singen, Gitarre spielen und albern rumtanzen“, sagt er. Alles wie immer also bei dem Mann, der mit seiner ersten Single „Trauriges Mädchen“ 2008 einen Überraschungs-Charterfolg landete und im folgenden Jahr bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest antrat. Bis auf die Revolution mit der Baumarktweste natürlich, deren wahre Bestimmung sich erst beim Lied „Beige“ erschließt, Rentner-Rap mit der wunderbaren Zeile Stolz und resolut / Von der Sohle bis zum Hut / Die Farbe der Farben / Bis sie mich begraben.

Jugend im brandenburgischen Stolzenhagen

Die einen finden das zu albern, die anderen zu traurig, Sven van Thom liebt genau die Mitte: Auf der Rasierklinge zwischen Albernheit und Melancholie. „Es ist der Mix aus diesen beiden Gegensätzen, der mich reizt“, sagt er, stets herzlich berlinernd. „Das Leben ist umso erträglicher, je mehr man es mit Humor betrachtet. Aber ohne die traurigen Momente wäre es doch auch ein bisschen langweilig.“

So darf man den Titel seines dritten Soloalbums „So geht gute Laune“, im Vorjahr erschienen und nun Anlass seines gleichnamigen Dauergastspiels in der Bar jeder Vernunft, nicht als Partyknüller falsch verstehen. Darauf deuten schon die Plakate, auf denen er mit einem roten Luftballon schmollend an irgendeinem Feldweg steht. Und natürlich folgt auf die Zeile „So geht gute Laune...“, dann auch gleich „...dahin“.

Ein Stimmungslied in A-Moll nennt er es selbst, und dichtet in melancholischem Seemanns-Dreivierteltakt Was nützt die schönste Frau unter den Resten / Wenn’s die eigene ist. Er kann singen, wenn auch unspektakulär, er spielt Gitarre und sogar ein Blockflöten-Solo, obwohl er doch als Kind gleich in der ersten Stunde als untalentiert wieder weggeschickt wurde. „Die Lehrerin und ich waren beide völlig entsetzt“, sagt er. Auch spätere Versuche auf dem Akkordeon scheiterten, bis die Gitarre ihn fand oder umgekehrt.

Überhaupt geht es in seinen Liedern häufig um die Jugend im brandenburgischen Stolzenhagen, wo er als „Ronny, gefangen im Körper eines Sven“, doch einfach dazugehören wollte und ihm aus Langeweile nichts besseres einfiel als ständig Sex zu haben – wofür er natürlich ein anderes Wort hat. „Es war richtig auf dem Dorf“, sagt er. Buden bauen im Wald, im See baden, die kleinen Schwestern ärgern, und natürlich Musik machen. „Ich hatte das Glück, das ich gute Freunde hatte und ’ne Band. Das hat sehr von der äußeren Langeweile abgelenkt.“

Er saß mit dem Opa vorm Tonbandgerät und nahm Schlager auf

Das mit der Musik hat er wohl vom Opa, mit dem er mit einem Tonbandgerät vorm Radio saß und am Sonntag die Schlager im Westradio aufgenommen hat. „Wenn ein neues Lied kam, haben wir Aufnahme gedrückt, und wenn es uns nicht gefiel, schnell zurückgespult, damit wir beim nächsten Lied wieder aufnahmebereit waren.“

Die Flippers, Roger Whittaker, Roland Kaiser, die Tonbänder würde er heute wohl nicht mehr durchhören. Trotzdem hat er nach der natürlichen Antiphase seiner Jugend mit Rage Against the Machine und Beastie Boys in einem Anflug von Nostalgie mal wieder in die alten Schlager reingehört und gemerkt: So schlecht ist das nun auch wieder nicht. „Heute kann ich mal ’ne zünftige Alexandra mit ,Mein Freund der Baum ist tot‘ hören und hinterher Nirvana.“ Angeblich hat der Vater auch mal in einer Band Gitarre gespielt, „aber er redet nicht gerne darüber“, sagt Sven van Thom. „Es muss auch Auftritte gegeben haben mit irgendeiner FDJ-Kapelle oder so, aber da ist nicht viel aus ihm herauszukriegen.“

Dass er tatsächlich Musiker geworden ist, liegt aber vor allem daran, das ihm nichts Besseres eingefallen ist. „Ich hatte nie einen Plan B“, sagt er. Und es sei das Einzige gewesen, was ihn wirklich interessiert habe. Außer vielleicht schwimmen gehen und Mädchen. „Selbst wenn ich davon nicht mehr leben könnte, würde ich immer Musik machen“, sagt er. Einen Plan B hat er immer noch nicht. „Warum sollte ich, läuft ja alles super.“ Sein Kumpel Martin Gottschild und er ziehen seit mehr als zehn Jahren mit „Tiere streicheln Menschen“, selbsternannte „Aktionlesung“, ziemlich erfolgreich durch die Lande, Gotti liest Kurzgeschichten, Sven van Thom singt, auf Radioeins haben sie jeden Freitag eine Kolumne. Das hält zwar produktiv, aber „es ist nicht einfach, jede Woche genial zu sein“, sagt er. Der Fundus an alten Sachen sei jedenfalls aufgebraucht, „ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte“.

Retro-Pop-Band hat sich nie wirklich aufgelöst

Aus der Kolumne ist größtenteils das neue Album entstanden, das Sven van Thom eher als Hobby bezeichnet, „um was in den Schrank stellen zu können“. Die Auflage von rund 3000 Stück werde schon weggehen in den nächsten Jahren, aber CDs kaufe ja niemand mehr, außer vielleicht bei ihm in Friedrichshain, wo es noch Plattenläden an jeder Ecke gibt.

Vielleicht auch ein Grund, warum er mit seiner Band Beatplanet noch ein halbes Album in der Schublade rumliegen hat. Die Retro-Pop-Band hat sich nie wirklich aufgelöst, aber irgendwie haben alle zu viel zu tun, um das Album einfach mal fertig zu machen. „Vielleicht wenn wir alle Rentner sind, dann kommen wir wieder zusammen mit unseren Rollatoren und machen den Rest“, sagt Sven van Thom. Aber dann bitte in Beige.

„So geht gute Laune“, Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24, Wilmersdorf. 7. Juni, 29. August, 10. Oktober und 28. November, jeweils 20 Uhr, Karten 22 Euro, ermäßigt 12,50 Euro. Weitere Infos unter: www.bar-jeder-vernunft.de

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