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Führungspersonen aus verschiedensten Unternehmen der Hauptstadt diskutierten mit Vertretern aus Politik und Verwaltung über die aktuellen Probleme der Stadt und entwickelten Lösungskonzepte. 

© Imago/Dirk Sattler

Eine „Flex Force“ für die Verwaltung: So stellt sich Berlins Wirtschaft eine zukunftsfähige Hauptstadt vor

Experten haben für die Industrie- und Handelskammer konkrete Vorschläge für eine nachhaltige Entwicklung Berlins erdacht. Sie fanden Eingang in „Businesspläne“.

Berlin soll nachhaltiger und digitaler werden – und zwar möglichst schnell, wenn es nach der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) geht. Die Kammer stellte jetzt drei „Businesspläne“ vor, die für Verwaltung, Stadtentwicklung und Bildung den Weg in die Zukunft weisen sollen. Erstellt wurden sie von Teams von Expert:innen, die sich in Workshops mit den aktuellen Problemen der Stadt auseinandergesetzt haben.

Beteiligt waren Führungspersonen von sehr unterschiedlichen Unternehmen der Hauptstadt, vom Tiefbauer Werner Pletz über den Fahrradkurierdienst Cycle Logistics bis zum Start-up Biolab Innovation, das digitale Medizingeräte herstellt. Sie diskutierten mit Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung, Kultur und Gesellschaft, unter anderem dem Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt.

„Wirtschaft sind wir alle“, sagte IHK-Präsident Daniel-Jan Girl bei der Präsentation der Ergebnisse am Freitag im Ludwig Erhardt Haus in Charlottenburg. Neben den Unternehmen seien auch ihre Beschäftigten und Kund:innen an der Entwicklung der Hauptstadt beteiligt. 

Daher sei es an der Zeit, Ideen aus den unterschiedlichen Bereichen zusammenzubringen, um neue Lösungen für die Herausforderungen der Gegenwart zu finden. Der gesellschaftliche Wohlstand müsse zusammen mit Themen wie Nachhaltigkeit und Krisensicherheit gedacht werden: „Wir wollen die Weltwirtschaftsmetropole der nachhaltigen Ideen und Produkte sein.“

Die Politik dürfe sich nicht allein darauf beschränken, Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln zu schaffen, sagte Girl und forderte „mehr Vertrauen in die Schaffenskraft der Menschen“. Wie das aussehen könnte, sollen die Lösungsvorschläge zeigen. 

Sie wurden im Format von Businessplänen angelegt, um besonders praxisnah zu sein. Daher enthalten sie nicht nur Ideen, sondern auch konkrete Angaben zu verfügbaren Ressourcen sowie Vorschläge für die Umsetzung.

Eine Plattform für Zwischennutzung

Im Businessplan „Pragmatische Stadtentwicklung“ wird beispielsweise die Gründung einer „Zwischennutzungsagentur“ vorgeschlagen. Die soll Leerstand in gewerblichen Immobilien erfassen und katalogisieren, um die Einrichtung von sogenannten Pop-up-Stores zu erleichtern. Das sind zeitlich befristete Ladenangebote in Einkaufszentren, die unter anderem im Bikini Berlin bereits zum Einsatz kommen. 

Doch in vielen anderen Einkaufsmeilen stehen Geschäfte leer. Um das zu ändern, sollen vier Personalstellen eingerichtet werden. Diese sollen bis Mitte 2024 eine Online-Plattform aufbauen, die Eigentümer und Interessierte zusammenbringt. Außerdem soll es Beratungsangebote für die Umsetzung, juristische Fragen und Finanzierung geben.

Im Bereich Stadtentwicklung soll die schleppende Digitalisierung der Verwaltung angegangen werden, etwa bei Baugenehmigungen. Die größten Missstände seien „Behörden-Ping-Pong“ und Personalmangel, sagte Jan Eder, der IHK-Hauptgeschäftsführer. 

Soll heißen: Bei dringenden Problemen sei unklar, welche Behörde dafür die Verantwortung trage. Oder es fehlten schlicht die Beschäftigten für die Bearbeitung. Die Lösung dafür soll Eder zufolge eine „Flex Force“ sein, eine übergeordnete Stelle, die Kapazitäten dorthin verschiebt, wo sie gebraucht werden. Die soll bei der Senatskanzlei angesiedelt sein und mit Unterstützung der Finanzverwaltung aufgestellt werden.

Im Papier heißt es dazu: „Die Mitglieder der Flex-Force-Teams verfügen über Management- und Verwaltungserfahrung, sind sorgfältig nach fachlicher Kompetenz auszuwählen und arbeiten transparent und agil mit den anfordernden Stellen zusammen.“

Individuelle Lernhilfe mittels Daten

Ein zweites Papier befasst sich mit „wirksamer Bildung“. Die Bedarfsanalyse kommt zu einem ernüchternden Befund: Bei Einschulungsuntersuchungen seien bei rund 29 Prozent der Kinder Sprachdefizite festgestellt worden, zehn Prozent seien übergewichtig, bis zu 26 Prozent hätten Schwierigkeiten mit der Körperkoordination. 

„Die Zahlen verdeutlichen, dass die Voraussetzungen für einen guten Bildungsstart bereits in den frühen Jahren gelegt werden“, schreiben die Autor:innen.

Daniel-Jan Girl ist der amtierende Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK Berlin). Allerdings nur noch bis zum Dienstagabend. Dann wählt die Kammer eine neue Person in das Ehrenamt.
Daniel-Jan Girl ist der amtierende Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK Berlin). Allerdings nur noch bis zum Dienstagabend. Dann wählt die Kammer eine neue Person in das Ehrenamt.

© IHK Berlin

Eine Lösung dafür soll individuelle Förderung bereits vor dem Schulstart sein – mittels digitaler Technologien. Dazu sollen die Kinder in Datenbanken erfasst werden, selbstverständlich entsprechend der Datenschutzregelungen. Eine spezielle Software soll dann eine „zielgerichtete Förderung“ ermöglichen, die genau dokumentiert wird. 

Vorbilder dafür gebe es bereits in Dänemark, Neuseeland und Australien. In den Schulen sollen in Zukunft auch wirtschaftliche Kenntnisse vermittelt werden, denn „ökonomische Grundbildung ist ein Schlüssel für erfolgreiche Teilhabe in der modernen Gesellschaft.“ 

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Die Schülerinnen und Schüler sollen Zugang zu speziellen Unterrichtsmodulen erhalten und mehr Praktika in Unternehmen machen können. Letztere sollen über eine digitale Plattform koordiniert werden. Die Berliner Wirtschaft sei „der Abnehmer des Bildungssystems“, sagte Jan Eder, und habe angesichts von Personalmangel und demographischer Entwicklung ein großes Interesse an dessen Erfolg. 

Daniel-Jan Girl betonte die Verantwortung der Stadt für das Erreichen der globalen Klimaziele. Außerdem müsse die Zusammenarbeit der Wirtschaft mit Universitäten gefördert werden, um neue Technologien zu entwickeln. „Wir müssen Wissen schaffen, um Realitäten zu verändern.“

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