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Testfall Schule. Bislang haben Rot und Schwarz beim Bildung keinen gemeinsamen Nenner gefunden. Ein Knackpunkt ist die Verbeamtung von Lehrern.

© Kai-Uwe Heinrich

Eine Klasse für sich: In der Bildungspolitik sind sich SPD und CDU noch uneinig

SPD und CDU verhandeln am Montag erneut über die wichtigen Bildungsthemen – auch über die Verbeamtung von Lehrern. Ein Pro & Contra.

Entspannung kann nicht vermeldet werden: Trotz der viel beschworenen guten Atmosphäre haben sich SPD und CDU noch bei keinem der wichtigen bildungspolitischen Themen geeinigt. Ob Jahrgangsübergreifendes Lernen (JüL), Lehrer-Verbeamtung, Gemeinschaftsschule oder grundständige Gymnasien – alle Knackpunkte wurden auf den heutigen Montag vertagt oder gar auf die große Abschlussrunde am 4. November.

Ordentlich punkten könnte die CDU in den Schulen, wenn sie ihre Forderung nach einer Verbeamtung von Lehrern durchsetzte. Dies ist allerdings ein heikler Punkt, denn die SPD hat zwei Kehrtwenden bei diesem Thema hinter sich und viel Kraft und Prestige investiert, um nicht erneut einzuknicken. Zuletzt zahlte die rot-rote Koalition den neu angestellten Lehrern 1200 Euro monatlich drauf, um den Nachteil gegenüber den Beamten zumindest finanziell auszugleichen.

Die Probleme sind damit aber nicht ausgestanden, denn die übrige Gehaltsstruktur wurde noch nicht angepasst. Das bedeutet: Wenn ein Junglehrer befördert wird und mehr Verantwortung übernimmt, wächst sein Gehalt kaum mit. Gute Leute würden somit weiterhin in andere Bundesländer gedrängt, warnt Klaus Brunswicker von der Sophie- Scholl-Schule. Zudem lassen sich viele Berliner Lehrer einfach in Brandenburg oder Hamburg verbeamten: Wenn sie zurückkommen, bleiben sie Beamte und damit bleibt auch die Ungleichbehandlung in den Lehrerzimmern bestehen.

Diese Probleme sind bekannt. Der Hauptausschuss hatte deshalb prüfen lassen, was es kosten würde, wenn die rund 7000 angestellten Lehrer zwei Unterrichtsstunden weniger als die Beamten leisten müssten, um einen Teil der Ungerechtigkeit auszugleichen. Das Ergebnis: Man brauchte etwa 30 Millionen Euro für 580 zusätzliche Lehrkräfte.

Im Gegensatz dazu würde eine Verbeamtung viel Geld in die Taschen der Lehrer und die des künftigen Senats spülen, denn es müssten keine Rentenbeiträge mehr gezahlt werden. Der Pensionsfonds, der stattdessen diskutiert wird, würde weniger üppig ausgestattet. Dass die SPD noch nicht nachgegeben hat, liegt daran, dass die Lehrertätigkeit nicht mehr als hoheitliche Aufgabe angesehen wird. Deshalb gibt es keinen Grund dafür, diese Berufsgruppe derart zu privilegieren: Beschäftigungsgarantie, private Krankenversicherung und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind nur drei Beispiele: Unter den aktuell weit über 1000 langzeitkranken Lehrern sind etliche Fälle, die seit über zwei Jahren bei vollem Gehalt auf Steuerzahlerkosten zu Hause sind. Als Angestellte würden sie bereits nach sechs Wochen auf 70 Prozent ihres Gehalts zurückfallen. Offenbar kommen die Amtsärzte mit den Kontrolluntersuchungen nicht hinterher – ein Problem, an dessen Lösung die Bildungsverwaltung schon länger arbeitet. Egal wie die SPD diese Woche in Sachen Verbeamtung entscheidet: Wenn sie nachgibt, stärkt sie die CDU und schwächt die Rentenkasse. Wenn sie hart bleibt, hat sie die meisten Lehrer und Schulleiter gegen sich. „Die Sache steht 50 zu 50“, heißt es aus der Arbeitsgruppe. Und: „Diese Entscheidung ist Chefsache.“

Ideologisch stärker aufgeladen ist die Frage des Religionsunterrichts. Die CDU könnte den Kirchen folgen und versuchen, für den Brandenburger Weg zu werben: Im Nachbarland kann man sich zugunsten von Religion bei Ethik abmelden, auch wenn Religion kein ordentliches Unterrichtsfach ist und die Note weniger Gewicht hat. Dass die SPD hier nachgibt, ist aber kaum zu erwarten: Das haushoch verlorene Pro-Reli-Volksbegehren hat die SPD-Linie für das Pflichtfach Ethik gestärkt.

Ein Kinderspiel könnte im Vergleich dazu eine Einigung bei JüL werden, nachdem Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) die Verpflichtung bereits gelockert hat. Hier dürfte es den Sozialdemokraten nicht schwerfallen, der CDU ein Erfolgserlebnis zu verschaffen, indem sie einwilligt, die JüL-Entscheidung ganz in die Hände der Schulen zu legen.

Das sind aber noch längst nicht alle Themen, die auf der Agenda der potenziellen Koalitionäre stehen. Klärungsbedarf gibt es auch bei der Frage, was aus den Gemeinschaftsschulen nach Ende der Pilotphase im Jahr 2013 wird. Eltern könnte zudem besonders interessieren, ob es mit Rot-Schwarz bei der Verlosung von Schulplätzen bleibt, ob die „Lehrer-Feuerwehr“ gegen Unterrichtsausfall vergrößert wird und ob es bei der Einschulung Sprachförderklassen für Migranten geben soll.

Auch die Finanzierung der Privatschulen und der Behinderten-Inklusion zählen zu den Baustellen. Und schließlich könnte der Dauerbrenner grundständige Gymnasien Ärger machen. Die CDU würde bei ihrer Wählerschaft gehörig punkten, wenn sie zusätzliche Standorte durchsetzte. Falls die SPD hier nachgäbe, hätte sie aber die Grundschulen gegen sich, die nicht noch mehr leistungsfähige Kinder ab Klasse 5 verlieren wollen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite die Argumente für und gegen eine Verbeamtung der Lehrer.

PRO

Seit Jahren wird laut gejammert, dass Berlin zu wenige Lehrer hat. Woran könnte das wohl liegen? Richtig: An den schlechten Bedingungen, denen sich angehende Lehrer ausgesetzt sehen und die dazu führen, dass Berlin nicht konkurrenzfähig ist. Einer der größten Nachteile ist, dass junge Lehrer nicht verbeamtet werden. Sie stehen vor der Wahl: Angestellte in Berlin zu bleiben oder in Brandenburg Beamte zu werden. Dass sich da viele für das Umland entscheiden und nicht etwa für Berlin, in dem noch dazu eine Versetzung an eine Brennpunktschule droht, liegt auf der Hand. Und was passiert, wenn der junge Lehrer nach ein, zwei Jahren doch lieber wieder nach Berlin möchte? Er behält seinen Status als Beamter. Schön blöd also, wer von vorneherein in Berlin bleibt.

Mal angenommen jedoch, ein junger Lehrer bleibt – vielleicht, weil er idealistisch genug ist. Dann sitzt im Lehrerzimmer schon der eine oder andere ältere Beamte, der sich auf seinem Status ausruht. Und dann sind da noch die Rückkehrer aus Brandenburg. Sie alle verdienen rund 500 Euro mehr als der Hierbleiber. Dass das nur zu bösem Blut führen kann, ist klar.

Fazit: Wenn die Verbeamtung abgeschafft werden soll, kann das nicht in einzelnen Bundesländern passieren, sondern nur in ganz Deutschland. Und wenn das nicht möglich ist, muss Berlin eben verbeamten. Patricia Hecht

CONTRA

Die Verbeamtung ist eine gefährliche Sache – weniger für den Staatsdiener als für den Staat, der eine Pension verspricht. Berlin hat für seinen über viele Jahre aufgepumpten öffentlichen Dienst jährlich 1,2 Milliarden Euro aufzuwenden. Da war es richtig, eine wichtige Berufsgruppe, die Lehrer, von der Verbeamtung auszunehmen.

Bei allem Respekt vor einer Tätigkeit, die wahrlich nicht jedermanns Sache ist: Kinder und Jugendliche zu unterrichten ist nicht so gefährlich wie der Polizeidienst (zumindest der auf der Straße) und nicht ganz so nah an einer der Hoheitsaufgaben des Staates wie der Richter- oder Staatsanwaltsberuf. Selbstverständlich sollen Lehrer gut bezahlt werden. Doch es kann kein Argument für die Lehrerverbeamtung sein, dass die angeblich hyperattraktive Metropole Berlin auf dem bundesweiten Lehrermarkt ohne Verbeamtung nicht konkurrenzfähig wäre: Wer hier Lehrer werden will, der will in diese Stadt und der will es mit den Kindern dieser Stadt aufnehmen – oder er (oder sie) will es nicht wirklich.

Bei denen, die es nicht wirklich in die Stadt zieht, schadet die Verbeamtung mehr, als sie nutzt. Wer hier nicht von Herzen Lehrer, sondern Beamter werden will, der ist angesichts der Verhältnisse an vielen Berliner Schulen dem – gut abgesicherten – Burn-out näher, als es sich eine überschuldetes Bundesland leisten kann. Werner van Bebber

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