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Berlin: Eine Luxusnacht für 115 Euro

Die Stimmung der Hoteliers hellt sich langsam auf. Nur die niedrigen Preise bereiten ihnen noch Sorgen

Das Jammern hat nachgelassen. Mehr noch: In die Lagebeurteilungen vieler Berliner Hoteliers fließen in letzter Zeit Töne ein, die man als optimistisch bezeichnen könnte. Denn zumindest zwei wichtige Erfolgskennziffern haben sich 2004 deutlich verbessert: Die Auslastung der Hotelbetten hat mit über 60 Prozent inzwischen ein im internationalen Vergleich akzeptables Niveau erreicht, und auch das für die Bilanzen wichtige Bankett- und Tagungsgeschäft tendiert stark nach oben. Marketing-Aktionen wie der „Winterzauber“ und der Boom der Billigflieger haben also ihre Wirkung getan.

Nur die entscheidende Schlüsselzahl will sich in Berlin einfach nicht in die richtige Richtung bewegen: die Zimmerrate. Wenn ein Hotel wie das Bristol Kempinski seine Preise für ein Doppelzimmer offiziell mit 294 bis 354 Euro angibt, klingt das gut. Aber ein Blick auf die Website von HRS, dem wichtigsten Hotel-Reservierungssystem, zeigt die Realität: Dort ist ein solches Zimmer beispielsweise am Montag, dem 7.März, für 115 Euro zu bekommen. Im Westin Grand sind 119 Euro fällig, im Swissotel 120, im Grand Hotel Esplanade 125. An der Preisspitze liegen das Regent am Gendarmenmarkt mit 300 und das Adlon mit 284 Euro – das ist ziemlich genau der Preis, mit dem in London oder Paris der Einstieg in die Fünf-Sterne-Kategorie erst beginnt, berühmte Häuser liegen weit darüber.

„Der deutsche Firmenkunde legt im Ausland ohne weiteres 500 Dollar für ein Zimmer im Fünf-Sterne-Hotel hin“, sagte der kürzlich nach Moskau gewechselte Adlon-Direktor Jean van Daalen. „Für das gleiche Zimmer in Deutschland ist er höchstens bereit, die Hälfte zu zahlen.“ Und er hat noch ein anderes Phänomen beobachtet: In Deutschland wisse der Gast, was er bei fünf Sternen bekomme und wähle daher stets das günstigste Hotel. „Im Ausland sind die Deutschen oft unsicher, weil sie Komfort, Hygiene und Service nicht einschätzen können. Sie wollen deshalb nur in den großen, internationalen Hotelketten übernachten, die sie kennen. Dafür zahlen sie dann gerne mehr.“

Kein Wunder, dass die Berliner Hoteliers ihre Hoffnung mittelfristig auf die Fußball-WM konzentrieren. Ein Auslastungsrekord dürfte ihnen sicher sein, sofern in Berlin nicht nur extrem unattraktive Spiele stattfinden. Doch was das für die Preise bedeutet, ist völlig offen. Zwar sind Buchungen bereits möglich, und sie zeigen die spekulative Tendenz: Im Hotel Unter den Linden, das Doppelzimmer bei HRS normalerweise für knapp 100 Euro anbietet, sind für den Abend des Endspiels 230 Euro aufgerufen. Doch ob das dann tatsächlich auch jemand zahlt?

Die Luxushotels gehen an dieses Problem ohnehin eher langfristig heran. „Wir haben schon einige Kontingente fest gebucht“, sagt Kurt Lehrke, der General Manager des Palace-Hotels im Europa-Center, „da kann man jetzt natürlich keine Phantasiepreise durchsetzen.“ Er konzentriert sich auf das Geschäft mit Firmen, die Berlin zur WM als Dreingabe für wichtige Geschäftspartner blind buchen. Ob letzte freie Betten kurz vor Beginn zu Höchstpreisen vermietet werden, hänge von der Attraktivität der Spiele ab, meint Lehrke.

Und noch ein wichtiger Einflussfaktor entzieht sich der genauen Berechnung. Wann gibt es wie viele Hotelbetten? Zahlreiche Hotels aller Kategorien sind trotz der gegenwärtig unzureichenden Rentabilität immer noch im Bau, aus den 69 000 Betten Ende 2003 sollen bis 2007 rund 80 000 werden – mehr, als es in ganz Manhattan gibt. Viele Großprojekte werden voraussichtlich noch zur Fußball-WM fertig, beispielsweise das „Grand Hotel de Rome“, das die Forte- Gruppe am Forum Fridericianum baut. Das Concorde-Hotel in der Joachimstaler Straße mit 300 Betten steht bereits kurz vor der Fertigstellung, Maritim hat für sein 500-Zimmer-Kongresshotel hinter der Gemäldegalerie in Tiergarten schon den 27.August 2005 fest als Eröffnungstermin gebucht, und weitere Eröffnungen, so von Marriott-Courtyard und Sol Melia in der Innenstadt, sind ebenfalls bis spätestens Mitte 2006 geplant.

Es gibt seriöse Studien, die eine Zahl von 80 000 Betten in Berlin als durchaus wirtschaftlich ansehen – auch Rocco Forte, der Chef der Forte-Gruppe, beruft sich auf sie. Er setzt auf einen Trend, den viele neue internationale Hotels wie Ritz-Carlton oder Marriott bestätigen: Kommt ein Konzern mit einem leistungsfähigen Reservierungssystem neu in eine neue Stadt, dann erzeugt er auch neue Nachfrage, zieht also mit seinem Namen Gäste an, die diese Stadt sonst nicht besucht hätten. Doch auch solche Optimisten wissen, dass schon ein einziger neuer Terroranschlag auf den internationalen Flugverkehr alle Prognosen hinfällig machen kann. Die Unsicherheit bleibt.

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