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Berlin: Eine reine Zeitgeist-Küche im bescheidenen Rahmen einer gehobenen Eckkneipe

Auch draußen im Kiez geht das gastronomische Leben weiter. Ganz vorsichtig wagen sich Wirte an weiße Tischdecken und Weingläser, in deren Gegend früher schon Flaschenwein und gebackener Camembert als Zeichen avantgardistischer Überheblichkeit gegolten hätten. Aber mit den Einkommen und der Neugier der Nachbarn steigen unmerklich auch Preise und, hoffentlich, die Qualität.

Lembach, Maaßenstr. 9, Schöneberg, täglich 12-24 Uhr, Tel. 217 55 700.

Auch draußen im Kiez geht das gastronomische Leben weiter. Ganz vorsichtig wagen sich Wirte an weiße Tischdecken und Weingläser, in deren Gegend früher schon Flaschenwein und gebackener Camembert als Zeichen avantgardistischer Überheblichkeit gegolten hätten. Aber mit den Einkommen und der Neugier der Nachbarn steigen unmerklich auch Preise und, hoffentlich, die Qualität.

Eine dieser Regionen ist der Winterfeldtplatz, wo der bundesweit bekannte Wochenmarkt ja nicht nur ein gesellschaftliches Ereignis ist, sondern fast alle anderen Märkte der Stadt auch qualitativ abgehängt hat. Warum sollte es in dieser Nachbarschaft nicht auch Kunden für gehobene Küche geben? Die gehobenste finden wir im "Lembach" in der Maaßenstraße. Lembach - das mag Kundige an ein Elsässer Dorf mit einem berühmten Traditionsrestaurant erinnern. Doch die Berliner Variante bietet nichts dergleichen, sondern reine Zeitgeist-Küche im bescheidenen Rahmen einer gehobenen Eckkneipe.

Diese Küche ist handwerklich einwandfrei gemacht, recht geschickt ausgedacht, aber auch ungebührlich überladen. Ein Salat mit Lammfleisch und weißen Bohnen, dem Kichererbsen einen sanft orientalischen Hauch geben, gewinnt nichts, wenn man ihn mit Parmesan und Pesto bekleckert; entweder, oder. Überhaupt wird der allgegenwärtige Pesto, den die Importeure in gewaltigen Mengen ins Land schaffen, langsam zum Maggi der Besser-Esser, während die Luxusköche weiterhin alles mit dem albernen Trüffelöl parfümieren. Klassisch und von bodenständigem Aroma getragen dagegen war die Kohlrabicreme mit Sauerampfer.

Es folgte eine Pause von rund 45 Minuten, in der wir beunruhigt feststellten, dass nichts, buchstäblich nichts, aus der Küche kam, obwohl das Restaurant doch etwa zur Hälfte besetzt war. Fußball im Fernsehen? Ob das nun typisch ist oder nur ein Ausrutscher war, vermag ich nicht zu beurteilen, ärgerlich fanden wir es auf jeden Fall. Immerhin bot uns die herzhaft agierende, ziemlich überlastete Kellnerin ein Getränk auf Kosten des Hauses an.

Ganz gelungen: das aromatische Kalbscurry mit Riesengarnelen und Gemüsen, zu dem uns freilich das erdbebenfeste, üppig in zwei Bergen aufgehäufte Kartoffelpüree nicht ganz einleuchtete. Beim Knurrhahnfilet mit Estragonkartoffeln und Tomatengemüse standen sich dann die verschiedenen Kräuter im Weg; gegen die einzelnen Bestandteile hatten wir wiederum nichts einzuwenden.

Sehr gut gefielen uns vor allem die Desserts, die mit schuldbewusster Geschwindigkeit auf den Tisch kamen: ausgezeichnete Topfenknödel mit Erdbeeren und Rhabarber und ein aromadichtes Cassis-Sorbet. Die Weinkarte konzentriert sich auf gute, einfache Weine, die zu erträglichen Preisen an den Gast durchgereicht werden: Der herrliche Silvaner von Keller (Rheinhessen) kostet 40 Mark.

Am Ende steht nun wieder die leidige Frage, ob dieses Restaurant denn nun weiter zu empfehlen sei? Es kommt wohl drauf an, ob man den Stil und die mögliche Saumseligkeit hinnimmt. Auf meiner Tabelle steht das Lembach irgendwo im Mittelfeld. Kein Abstiegskandidat, aber auch ohne die geringsten Aussichten auf die Champions League.Lembach, Maaßenstr. 9, Schöneberg, täglich 12-24 Uhr, Tel. 217 55 700. Alle Kreditkarten

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