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Berlin: Eine sehr lange Nacht des Shoppings

Das Kulturkaufhaus Dussmann war erstmals durchgehend geöffnet

So fühlt sie sich also an, die neue Einkaufsfreiheit. Entgegen dem lärmenden Namen „Ladenschluss-Killer-Party“ bestimmten Ruhe und Stille die Stimmung eines frühmorgendlichen Bummels durch das Kaufhaus Dussmann in der Friedrichstraße. Von Freitag auf Samstag wurde hier das neue Ladenschlussgesetz mit einer verkaufsoffenen Nacht begrüßt.

Statt in einem niemals schlafenden Einkaufsparadies, wähnte man sich allerdings spätestens ab vier Uhr morgens in einem begehbaren Gemälde von Edward Hopper, dem amerikanischen Meister des melancholischen Realismus. So still, so einsam war es zwischen den Wänden aus Büchern, Videos und CDs, dass sich zwangsläufig ein Gefühl der Verlorenheit einstellte. Nur noch ein gutes Dutzend Menschen war am frühen Morgen von den vielen Neugierigen geblieben, die zur groß angekündigten Einkaufsnacht erschienen waren. Gute sechs Stunden war es da her, dass Firmenchef Peter Dussmann im Foyer seines Kaufhauses den Beginn einer „neuen Zeit“ ausgerufen hatte, als sei mit dem Ladenschlussgesetz eine Mauer gefallen und eine Ära der Planwirtschaft vorüber. Vom ersten Stock aus predigte der 68-Jährige den zahlreichen Zuhörern, die sich im Foyer an Prosecco und Croissants gütlich taten, die Lehre des jüngst verstorbenen Ökonomen Milton Friedman, dass man „für politische Freiheit, wirtschaftliche Freiheit brauche“.

Bei den Öffnungszeiten hat Dussmann nun mehr Freiheit und nutzt sie, um in seinem Haus künftig nicht nur wochentags bis 24 Uhr zu öffnen, sondern für das nächste Vierteljahr von Freitag auf Sonnabend die Türen probeweise gar nicht mehr zu schließen. „Freiheitsberaubung“, schimpfte er später am Tresen des hauseigenen Restaurants Catherine’s auf die bisherigen Regelungen und machte dabei den Eindruck, die alte Gesetzgebung zum Ladenschluss wäre eine persönliche Beleidigung gewesen.

Das Publikum, das derweil durch die fünf Etagen streifte, betrachtete die verlängerten Öffnungszeiten deutlich weniger aufgeregt. Neugierde war der Antrieb der frühen Besucher, die das Haus bis etwa zwei Uhr nachts bevölkerten und Schlangen an den Kassen bildeten.

Danach wurde es plötzlich ganz ruhig im Kaufhaus. Nur noch wenige Nachtschwärmer verirrten sich zwischen die Regale, schienen aber die Ruhe zu genießen und nutzten die Möglichkeit, das Angebot ohne Zeitdruck durchstöbern zu können. Das Gefühl, dem Anbruch einer neuen Zeit beizuwohnen, hatte dabei jedoch kaum jemand. Am wenigsten die Verkäufer, die am Samstagmorgen in der Zeit zwischen fünf und sechs Uhr gelegentlich allein im Laden standen. Dussmann-Sprecher Steffen Ritter zeigte sich gestern trotzdem von dem Experiment überzeugt. 6000 Besucher zählte er in der Zeit zwischen 22 und 10 Uhr. Zwar fiel auch ihm die geringe Besucherdichte in den frühen Morgenstunden auf, er betonte aber, dass die nächtlichen Kunden im Schnitt das Zweieinhalbfache der Tageseinkäufer ausgegeben hätten. In den Stunden zwischen 22 und 10 Uhr seien so 52 Prozent eines gewöhnlichen Tagesumsatzes eingenommen worden.

Hinter den Mitarbeitern lag gestern nicht nur eine ermüdende, sondern auch verwirrende Nacht. Am Freitag war die Kaufhausleiterin, Martina Tittel, fristlos entlassen worden. Zu ihrem Nachfolger wurde Hartwig Schulte-Loh ernannt, der bereits bis 2000 in eben jener Funktion tätig war. Unter Mitarbeitern kursierte das Gerücht, die Entlassung könne etwas mit der angeblich ablehnenden Haltung der Kaufhausleiterin zu den verlängerten Öffnungszeiten zu tun haben. Firmensprecher Ritter widersprach dieser Darstellung, wollte aber keine Angaben über den Grund der Kündigung machen. Weder Martina Tittel noch Hartwig Schulte-Loh noch Peter Dussmann waren am Sonnabend für Stellungnahmen zu sprechen.

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