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Berlin: Eine Stadt unter Zugzwang

Mit einem Thesenpapier regt der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder eine Debatte an: Wie kann Berlin als europäische Metropole bestehen?

von Barbara Junge

Noch keine drei Wochen ist es her, da klingelten an den Urlaubsorten der Berliner Politiker die Handys. Gregor Gysi, Salonsozialist der PDS und zu dem Zeitpunkt noch Wirtschaftssenator und Bürgermeister der Stadt, war dran. Er gebe Amt und Mandat zurück, ließ er Parteifreunde und Koalitionspartner wissen und schickte seine Kündigung gleich auf den Dienstweg.

Der Druck auf die rot-rote Koalition steigt. Immer mehr rückt die PDS-Vergangenheit dabei in den Hintergrund. Es ist vielmehr die rigorose Sparpolitik, die die Wähler von Rot-Rot entfernt. Jetzt geht der Parteichef der Berliner SPD, Peter Strieder, in die Offensive. Er hat ein Papier vorgelegt, mit dem er eine Diskussion über die künftige Politik in der Metropole Berlin eröffnen will.

Unter dem Titel „12 Thesen für eine zukunftsfähige Metropolenpolitik“ skizziert Strieder die künftige Rolle Berlins als eine der europäischen Metropolen. Der SPD-Landeschef geht vor allem auf die besondere Situation Berlins als Schnittstelle zwischen Ost und West und auf die künftige soziale, städtische Infrastruktur angesichts der Finanznot ein. „Moderne Politik in Zeiten, in denen es kein qualitatives Wachstum gibt, muss die Ressourcen anders verwalten als Politik in den 70er Jahren“, umschreibt Strieder das Problem, mit dem Regierungen zu kämpfen haben. Deshalb müsse alles auf den Prüfstand. „Es gehört zur politischen Verantwortung“, sagt Strieder, „sich diesen Fragen zu stellen“. Seine Thesen seien der Versuch einer Antwort.

Nur in einem Netzwerk der europäischen Städte könnten sich die Metropolen davor schützen, in eine ruinöse Standortkonkurrenz zu geraten. Er plädiert deshalb für den Aufbau einer gemeinsamen Lobby. Angesichts stagnierender oder zurückgehender Einwohnerzahlen müsse in den Städten selbst umgesteuert werden. „Weniger Geburten bedeuten weniger Kitas, Schulen, Schwimmbäder“, schreibt er. Flächen und Gebäude könnten neu genutzt und der Verwaltungsaufwand reduziert werden.

Innerhalb der engeren Region dringt Strieder auf eine Fortschreibung der Entwicklung. Die Abwanderung aus dem ländlichen Raum entspreche dem, was etwa in der Oberpfalz längst stattgefunden habe. Es komme darauf an, den entleerten Dörfern eine neue Funktion als Ruheraum zu geben und dafür Berlin und den Speckgürtel als prosperierenden Raum zu entwickeln. Die Fusion sei Voraussetzung dafür. „Städte werden durch ihr Zentrum zusammengehalten. Anders ausgedrückt: der Stadtentwicklungssenator dringt auf eine Revitalisierung der Innenstadt, die Belebung alter Markthallen, Einkaufsattraktionen und einen Rückbau von Fehlinvestitionen. Supermärkte auf der grünen Wiese stehen ebenso auf Strieders Negativliste wie „wenig anpassungsfähige Strukturen“ in den Entwicklungsgebieten.

Berlins Aufstieg sei stets mit Zuzug von Menschen aus allen Ländern verbunden gewesen, heißt es. An diesem Potenzial müsse die Dienstleistungsmetropole anknüpfen mit der entsprechenden Toleranz. Zur Toleranz gehöre Integration und die aktive Teilnahme der Neuankömmlinge. Vieles, was etwa das Bild der Türken in Berlin präge, stamme „aus dörflichen Verhaltensweisen, die auch in der Großstadt Istanbul ein Integrationshindernis gewesen wären“.

Und Kritik übt der SPD-Senator auch an der Sparpolitik. Eine attraktive Innenstadt ziehe Menschen an und erhöhe die Kaufkraft. Die Bedeutung des öffentlichen Raums sei stets unterschätzt worden. Parkanlagen, Brunnen und Spielplätze seien deshalb die ersten Sparopfer geworden. „Das“, schreibt Strieder, „muss rückgängig gemacht werden“. Denn die europäische Stadt lebe von der Begegnung.

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