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Berlin: Eine von hier

Von den Insulanern bis zum Jedermann im Dom: Brigitte Mira war Ur-Berlinerin, obwohl sie aus Hamburg kam

Anfang 2001 wurde auf dem Kurfürstendamm der Schaukasten eines Fotostudios geplündert. Entwendet wurden zwei Großfotos, die Brigitte Mira wenige Monate zuvor anlässlich der Premiere von „Die Bettelkönigin“ im HansaTheater hatte anfertigen lassen. Für das Fotostudio eine ärgerliche Sache, die Schauspielerin aber hat sich amüsiert, war der Diebstahl doch nur die illegale Variante der Verehrung, die ihr das Publikum gerade in Berlin entgegenbrachte.

„Bekannte Berliner Kabarettistin mit vier Buchstaben“ – ihre beiden Jungen, beide noch Kinder, kamen eines Tages ganz aufgeregt zu ihr gelaufen. In einem Kreuzworträtsel waren sie auf diese Frage gestoßen – ein frühes Indiz für die untrennbare, schon ins allgemeine Bildungsgut eingegangene Verbindung von „Biggi“ und Berlin. Dabei stammte sie nicht mal von der Spree, war in Hamburg geboren, galt aber, vergleichbar der aus Ulm stammenden Hildegard Knef, als eine von hier. „Vom Herzen aus“ sei sie Ur-Berlinerin, hat sie 2003 im Gespräch mit dem Tagesspiegel gesagt. „Ich finde die ganze Mentalität des Berliners toll. Eine gewisse Liebenswürdigkeit, dieser unerhörte Humor, die Schlagfertigkeit.“

Seit 1941 lebte sie in Berlin, hatte sich in dieser aller Satire feindlichen Zeit als Wirkungsstätte ausgerechnet das „Kabarett der Komiker“ gewählt. Ihr Vater war Jude, überlebte in Berlin dank falscher Papiere. Das Kriegsende erlebte sie im Wilmersdorfer Gertrauden-Krankenhaus, wohin sie sich von zu Hause geflüchtet hatte. Eine wüste Zeit, obwohl sie selbst in dieser Stadt wohl immer gut durchgekommen ist: „Angst habe ich in Berlin nicht. Warum sollte ich? Mir ist doch nie was passiert. Nicht in Berlin.“

Über eines aber konnte sie sich ärgern: Wenn über sie geschrieben wurde, dass sie erst durch Fassbinder entdeckt worden sei. Als ob es vorher nichts von Belang gegeben habe. Das stimmte ja nun wirklich nicht. Wenige Jahre nach Kriegsende beispielsweise, als Walter Felsenstein sie als Adele in seine „Fledermaus“-Inszenierung holte. Damit hatte er 1947 die Komische Oper eröffnet. Es war eine Rolle mit Tücken: Brigitte Mira trat mit Hund auf – „und mitten in meiner schönen Arie verschwand mein Hund im Souffleurkasten. Ich also – immer weiter geträllert – tralala-tralala – mich gebückt und gesucht – und gelitten – und das Publikum hat gelacht und gelacht.“

Eine Zufallspanne aus tierischem Spieltrieb, und doch symptomatisch für die Volkstümlichkeit, die Brigitte Mira auszeichnete und und die sie gerade in ihren Rollen als Berlinerin bewies. Selbstverständlich war sie „Insulanerin“. Klar auch, dass die „Drei Damen vom Grill“ mit ihr als Oma Margarete Färber ihre Imbissbude nur in Berlin betreiben konnten. Wo sonst hätte sie vor drei Jahren ihre Autobiografie „Von ganzem Herzen“ präsentieren können als in der Komödie am Kurfürstendamm? Beispielsweise im Hansa- Theater, im Theater des Westens, im Berliner Dom, im … die Liste wäre zu lang.

Seit Jahren ging es ihr gesundheitlich nicht mehr gut. 1990 erlitt sie kurz vor einer Vorstellung im Moabiter Hansa-Theater einen Schwächeanfall. Ein Arzt wurde gerufen, noch am selben Abend stand sie wieder auf der Bühne. Vor wenigen Jahren wurde ihr ein Herzschrittmacher eingesetzt. Auch im letzten Herbst, während der Proben zum „Jedermann“ im Berliner Dom, hatte sie einen Schwächeanfall erlitten. Später kam sie ins Zehlendorfer Behring-Krankenhaus auf die Intensivstation. Dort ist sie am gestrigen Nachmittag im Alter von 94 Jahren gestorben.

Ihre berlinischste Rolle? Wahrscheinlich als alte Dame vom Grill. Auch wenn sie selbst dort nur selten Kundin gewesen wäre. Ob sie wohl gerne Buletten oder Currywurst esse, war sie im Tagesspiegel-Interview gefragt worden. Die Antwort war deutlich: „Muss nicht sein.“

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