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Klare Anweisung. Schon drei Stunden vor dem offiziellen Räumungstermin gilt vor dem besetzten Haus Parkverbot – ab dann ist die Straße abgeriegelt. Als die Beamten im November 2009 Besetzer aus einem Haus in der Brunnenstraße holten, musste der Bereich stundenlang weiträumig umfahren werden.

© dpa

Einfach abgeräumt: Brunnenstraße 183 und Yorckstraße 59

Immer wieder wurden langfristige Besetzungen durch ein Großeinsatz der Polizei beendet. Die Brunnenstraße 183 ist immer noch unsaniert und vermauert, in der Yorckstraße 59 gibt es luxuriöse Lofts.

„Das Ende eines Traums“ ist auf dem Plakat zu lesen. Unter der Schlagzeile explodiert das Luftschiff „Hindenburg“, das Meisterstück deutscher Ingenieurskunst, der Stolz der Nationalsozialisten. Der Slogan, Werbung für einen Fernsehfilm über die Katastrophe von 1937, dürfte für viele ebenso auf das Haus nebenan zutreffen. Die Plakatwand steht direkt neben dem Haus Brunnenstraße 183 in Mitte. Seit der Räumung im November 2009 steht das Haus leer – es war die bislang letzte große polizeiliche Räumung eines bekannten linken Wohnprojektes.

„Sehr ärgerlich“, nennt Rechtsanwältin Sandra Nuckel das, was seitdem in der Brunnenstraße 183 passiert ist: nämlich gar nichts. Nuckel ist eine der Anwälte, welche die ehemaligen Bewohner vertreten hatten. Zuletzt verloren sie alle acht Berufungsprozesse gegen Hauseigentümer Manfred Kronawitter – er hatte von den Bewohnern nachträglich eine Nutzungsentschädigung eingefordert und in letzter Instanz Recht bekommen. Nun müssen acht der ehemaligen Bewohner für den Zeitraum von Januar 2007 bis Februar 2009 pro Quadratmeter und Monat 2,50 Euro kalt nachzahlen.

„Das ist für einige von uns ziemlich hart“, sagt Jens Herrmann, einer der Ehemaligen, der selbst eine Rechnung über rund 1200 Euro bekommen hat. Auf 12 000 Euro schätzt er den Betrag, der durch die eingeklagte Nutzungsentschädigung und diverse Prozesskosten fällig wird. Miete habe Kronawitter seinerzeit von den Bewohnern nicht angenommen, sagt Sandra Nuckel; damit habe er ausschließen wollen, dass sich die Bewohner auf einen konkludenten, also stillschweigend einvernehmlichen Vertrag hätten berufen können.

Manfred Kronawitter, Arzt aus Passau und Vater des bekannten Berliner Linken Michael Kronawitter, hatte das seit Mitte der 90er-Jahre besetzte Haus im Spätsommer 2006 gekauft und angekündigt, dort ein Mehrgenerationenhaus bauen zu wollen. Die Fronten zwischen dem neuen Eigentümer und den Bewohnern waren von Anfang an verhärtet; Sitzungen am Runden Tisch und die Suche nach einem Alternativgrundstück waren ergebnislos geblieben, so dass Kronawitter schließlich gerichtlich die Räumung durchsetzte. Am 24. November 2009 rückten 600 Polizisten an und holten alle 21 Bewohner ohne Widerstand aus dem Haus. Der Eigentümer ließ umgehend alle Fenster entfernen und die Eingänge verschließen, um eine erneute Besetzung zu verhindern.

Seitdem schauen die Gäste im Imbiss gegenüber in die schwarzen Löcher in der Fassade mit dem haushohen Wandgemälde – „Wir bleiben alle“ ist dort noch immer zu lesen. Dabei kommt schon lange keiner mehr. Die meisten ehemaligen Bewohner sind wie Jens Herrmann in anderen Hausprojekten untergekommen. Im September hatte Manfred Kronawitter der „Tageszeitung“ gesagt, dass die Bauarbeiten noch 2010 beginnen sollen. Mit dem Tagesspiegel wollte er über den aktuellen Stand der Planung nicht sprechen.

Einen Bauantrag hat der Passauer bislang nicht gestellt, teilte das Büro für Stadtentwicklung des Bezirksamtes Mitte mit. Bisher gebe es nur einen Vorbescheid vom November 2009, über den Umbau und die Erweiterung des Hauses zu einem Mehrgenerationenprojekt. Drei Jahre ist der Vorbescheid gültig – so lange hat Kronawitter Zeit, den Antrag einzureichen. Drängen könne man ihn nicht, hieß es im Bezirksamt. Es sei allein Sache des Eigentümers, was er mit dem Haus mache.

In der Yorckstraße 59 in Kreuzberg sind diese Kämpfe längst ausgefochten. Im Juni 2005 wurde das Hinterhaus, in dem seit 1988 etwa 60 Bewohner und zahlreiche linke Initiativen untergekommen waren, von der Polizei geräumt, nachdem auch hier ein heftiger Streit mit dem Eigentümer vorangegangen war. Der Widerstand war groß, es gab Solidaritätsaktionen in der ganzen Stadt. „Der Polizeieinsatz ging bis in die Nacht“, erinnert sich ein Ladenbesitzer aus der Nachbarschaft.

Heute ist nichts mehr zu sehen von der berühmten Vergangenheit der „Yorck 59“. Der Blick in den Hinterhof zeigt eine Backsteinfassade, glänzende Fensterfronten und schmiedeeiserne Balkone. 13 luxuriöse Lofts sind entstanden – und alle waren schnell ausverkauft. Die meisten der ehemaligen Bewohner der „Yorck 59“ wohnen heute im Künstlerhaus Bethanien, wo sie das Projekt „NewYorck 59“ ins Leben gerufen haben. Die Gegend an der Yorckstraße habe sich rasant verändert, erzählt der Ladenbesitzer, immer mehr wohlhabende Leute seien im Kiez unterwegs. Auf der Yorckstraße treffe man etwa manchmal Schauspieler Thomas Kretschmann, erzählen Anwohner. Barbara Kerbel

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