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Berlin: Einfach durchdrehen

Wurstmachen ist nicht schwer, auf Mischung und Maschine kommt es an. Beim Feinschmeckerfestival zeigen Fleischer, wie es geht.

Kein Wurst-Bericht kommt ohne die erhellende Erkenntnis Bismarcks aus: „Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie.“ So sehr dieser Satz auch Lebenserfahrung in beiden Bereichen widerspiegelt, so scheint er doch heute vor allem als bequemer Vorwand zu dienen für unendlich viele schlechte Würste und Gesetze.

Würste jedenfalls lassen sich durchaus relativ leicht so machen, dass wir auch mit dem Wissen über ihre Herstellung gut schlafen können. Dies zu zeigen war das Ziel der Fleischermeister Heiko Hentschel und Thomas Nelkner, die am gestrigen Mittwoch den praktischen Teil des Feinschmeckerfestivals „eat! berlin“ eröffneten. Sie zeigten einer kleinen, genusssüchtigen Gästeschar, wie die Würste wirklich entstehen, die sie in ihrem „Delikatessen-Discounter“ verkaufen.

Na, jedenfalls fast. Denn die dort professionell eingesetzten Geräte sind etwas größer als der kompakte Fleischwolf, der im Swissotel-Kochstudio handliche Fleischwürfel verschluckte und als Wurstbrät wieder ausspie. Oder, wie es Nelkner zur Begründung sagte: „Ein Fleischer hat keine Zeit“, nicht zum Würfelschneiden. Doch das Grundprinzip ist in allen Fällen gleich: Fleisch wird bis zur gewünschten Feinheit zerkleinert, gewürzt und schließlich in Därme abgefüllt. Rind und Lamm plus Harissa, die nordafrikanische Würzpaste aus Chili, Kreuzkümmel und Koriander, ergibt die Merguez, die innerhalb von zwei Jahrzehnten vom „Wie bitte?“ zum deutschen Grill-Hit aufgestiegen ist; Schwein, Kalb, Kräuter und Speck mit Kräutern ergeben die mediterrane Chipolata, und Schwein mit Fenchel und Zitronenschale eine Salsiccia.

Die beiden Meister verdeutlichten rasch, dass die entscheidende Schwelle zum freudvollen Selbstwursten in der Maschine zu sehen ist, die das Fleisch in die Därme drückt. Ohne sie läuft wenig, denn nur sie füllt gleichmäßig, ohne Nebenluft und schont doch die zarten Schafsdärme. Und ganz nebenbei lädt sie zu subtilen erotischen Anspielungen ein, mit denen sich ganz sicher auch ein Dirndl...

Wo waren wir stehen geblieben? Nur zwei Frauen waren unter den zwölf Teilnehmern des Kurses, das mag ein Zeichen dafür sein, dass das Selbstwursten doch eher den männlichen Spieltrieb anspricht, der sich ja auch beim späteren Grillen durchsetzt. Es gab viel zu tun, denn die Maschine, die den Darm füllte, weigert sich anders als ihre großen Industrie-Schwestern, auch gleich fertig abgedrehte Würste auszuspucken. Das bleibt Handarbeit: Mit beiden Daumen zur gewünschten Länge drücken, dann ein paar Mal wie ein Springseil herumwirbeln, fertig. Auch die Profis wirbeln manchmal zu wenig, dann geht das Ende wieder auf, „denn isset wieda eene“, wie Nelkner mit herzhaft berlinisch gewürztem Zungenschlag analysierte.

Überhaupt, der Darm. Kommt in Tüten aus Neuseeland und beschäftigt den Laien, der die einzelnen Stücke schon mal kaum auseinander bekommt und erst recht den Eingang nicht findet. Und, abgesehen davon, wer braucht denn solche Mengen? Kann man das einfrieren? „Trocken wegsalzen“ erläutert Hentschel, die Sprache des Fleischergewerbes ist knapp und präzise, hat für emotionale Zwischentöne nur wenig Platz. Aber auch das verbindet sie zweifellos mit der Sprache der Gesetzemacher. Das Ergebnis allerdings schmeckt nur bei der Wurst fast jedem. Pfanne schon heiß?

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