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Für die Beiß-Attacke eines Kampfhundes wurden dem Opfer 3000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

© dpa

Eingestelltes Verfahren: 3000 Euro Schmerzensgeld nach Kampfhund-Attacke

„Normalerweise war Tyson ganz brav“, sagt die Hundehalterin, doch ihr Kampfhund biss einem Neunjährigen ins Gesicht. 3000 Euro Schmerzensgeld muss sie nun zahlen. Dafür wird das Verfahren eingestellt.

Die Wunden im Gesicht des Nachbarsjungen waren tief. Astrid B. hatte die Fotos, die den schrecklichen Angriff ihres Kampfhundes dokumentieren, bis zum Prozess noch nicht gesehen. Die 44-jährige Mutter dreier Kinder schluckte. Nur Minuten zuvor hatte sie, deren Hund Tyson in ihrer Wohnung über einen neunjährigen Jungen hergefallen war, von einem „normalerweise“ ganz braven Tier gesprochen. „Uns hat er nicht mal angeknurrt“, sagte sie. Nach dem Anblick der Bilder senkte sie still den Kopf.

Astrid B. stand knapp ein Jahr nach der Attacke ihres Hundes wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht. Ihr Anwalt kündigte ein Geständnis an. Die einstige Hundehalterin aber begann mit Rechtfertigungen: „Ich hatte ausdrücklich gesagt, dass sie nicht ins Wohnzimmer dürfen.“ Ihr damals achtjähriger Sohn und der ein Jahr ältere Tim (Name geändert) hätten im Kinderzimmer gespielt. „Danach sollten sie nach draußen gehen.“

Die Mutter ließ die Kinder am Nachmittag des 18. Oktober 2010 mit dem American-Staffordshire-Terrier-Mischling Tyson allein in der Wohnung. „Ich musste zur Arbeit, was sollte ich machen?“, fragte die Angeklagte – und fand die Antwort schnell selbst: „Ich hätte das Zimmer abschließen müssen.“ Sie habe nicht geahnt, dass Tyson bissig ist. Die Jungs hätten ihn gestreichelt, aber auch geschlagen. Man könne eben nicht mit Sicherheit sagen, wie sich Kinder verhalten. „Das ist der Punkt“, warf der Richter ein. Ob die Jungen das Tier geneckt haben, ist offen und für den Prozess nicht bedeutend. Fest steht: Tyson, der an der Hüfte leicht verletzt war, ging plötzlich auf den Neunjährigen los. Biss immer wieder in das Gesicht von Tim. „Er hatte sich zeitweilig festgebissen“, hieß es in der Anklage. Der Sohn von Astrid B. versuchte, Tyson wegzuziehen – vergeblich. Es gelang den Kindern schließlich, aus dem Zimmer zu fliehen. Sieben tiefe und mehrere oberflächliche Verletzungen an Stirn, Schläfe, Nase und Hand erlitt Tim. Die Wunden sind verheilt. Die Angst ist geblieben. Bis heute ist er in Therapie.

Es war einer der schwersten Fälle, die im Jahr 2010 in die Berliner „Beißstatistik“ eingingen. 660 Hundeattacken auf Menschen wurden im Vorjahr registriert. Das waren 25 Prozent mehr als 2009. Zuvor war die Zahl seit 1999 zurückgegangen. Der Vorfall in der Weddinger Wohnung hatte die Debatte um eine Verbesserung des Hundegesetzes von 2004, nach dem insgesamt zehn Rassen als besonders gefährlich gelten und einen Maulkorb tragen müssen, neu entfacht. Der Senat schätzt die Zahl registrierter Kampfhunde auf etwa 7500. Experten aber gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.

Die Besitzer von als „gefährlich“ eingestuften Hunden müssen tatsächlich eine ganze Reihe von Nachweisen erbringen. So muss ein Wesenstest bestätigen, dass von dem Hund keine Gefahr ausgeht. Auch der Halter wird unter anderem durch ein polizeiliches Führungszeugnis auf seine Fähigkeiten geprüft. Im Falle des zweijährigen Tyson, der vor Astrid B. fünf andere Besitzer hatte, waren die Auflagen erfüllt. Kurz nach dem Angriff wurde er eingeschläfert.

Tim blieb eine Aussage erspart. Die Juristen, darunter auch zwei Nebenklage-Anwälte hatten sich geeinigt: Gegen ein Schmerzensgeld von 3000 Euro wurde das Verfahren eingestellt. „Sie hätten damit rechnen müssen, dass sich die Kinder nicht an Ihre Anweisung halten, Sie hätten die Kinder nicht allein mit dem Hund lassen dürfen“, sagte der Richter. In einem Zivilprozess kommen weitere Forderungen auf die Frau zu.

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