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Testlauf auf dem in Stuttgart errichteten Erdmodell des Freiheits- und Einheitsdenkmals, das voraussichtlich bis 2019 auf dem Schlossplatz stehen soll.

© Milla und Partner

Einheitsdenkmal in Berlin: Warum es eine "Einheitswippe" nie geben wird

Einheitswippe heißt das Schlagwort, unter dem das geplante Denkmal vor dem Berliner Schloss diskutiert wird. Der Bau scheint jetzt sicher - doch der Name trügt.

Form und Inhalt sprechen dafür, dass es ein letztes verzweifeltes Aufbäumen ist: Das problematische Verhältnis zur Freiheitsbewegung von 1989 in der DDR ist bei der SED-Nachfolgepartei quasi naturgegeben. Dass sie deshalb aber auch den Architekten des Freiheits- und Einheitdenkmals abblitzen lässt, der den beiden Linken-Senatoren für Kultur und Stadtentwicklung seine Pläne persönlich vorstellen wollte, und den Antwortbrief an den Baumeister öffentlich machen lässt, dürfte wohl nur noch zur eigenen Ehrenrettung vor dem Unausweichlichen dienen: Seht her, wir haben alles versucht, so die Botschaft.

Denn gebaut wird die sogenannte Einheitswippe, das gab die Verwaltung der Senatorin Katrin Lompscher (Linke) dem Architekten Johannes Milla bereits im Oktober vor zwei Jahren schriftlich. Dass die kinetische Skulptur immer noch nicht montiert wird, lag an der überraschenden Notbremsung durch den Finanzausschuss des Bundestages. Vor sechs Wochen aber bekräftigte die Koalition den früheren Beschluss des Parlaments: Dass das Denkmal nach Plänen von Milla und Partner kommt. Nichts deutet also darauf hin, dass es eine Revision vom revidierten Beschluss zum Bau der Einheitswippe geben könnte – wohl auch nicht durch einen neu gewählten Bundestag nach der Wahl im Herbst des Jahres.

Der Testlauf war sehr beliebt

Aus Parlamentskreisen ist zu hören, dass vorher noch Fakten geschaffen werden. Schon im Mai oder Juni soll das Plenum die Entscheidung, die es schon einmal traf, noch einmal bekräftigen. Anschließend könne der Haushaltsausschuss das Geld freigeben. Dieses Verfahren hatte die Koalition festgelegt. „Wenn die parlamentarischen Beschlüsse gefallen sind, könnten wir noch im Sommer mit der Detailplanung und 2018 mit den Bauarbeiten beginnen“, sagt Architekt Milla. Erstmals gewippt wird dann voraussichtlich am 9. November 2019 – am 30. Jahrestag der Maueröffnung.

Gewippt? Milla findet das gar nicht lustig, es wird „gewogen“ sagt er: Eine Wippe bewege sich schnell und habe einen harten „Umschlagpunkt“. Eine Waage dagegen bewege sich langsam, auf dem Schlossplatz werden es 3,6 Meter in der Minute sein. Danach wogt die Schale zurück „in die Nullstellung“. Und wieder muss sich eine Mehrheit von 30 Erwachsenen für eine Seite entscheiden, damit sich das Denkmal erneut in Bewegung setzt.

Sogar Testläufe unternahm Milla und erzählt begeistert, wie schnell die untereinander zuvor unbekannten Tester über die Waage miteinander ins Gespräch kamen: Sogar eine 90-Jährige war dabei, als auf einer Zugbrücke in Mannheim die maximale Neigung ausgelotet wurde, sechs Grad werden es sein. Auch ein Erdmodell ließ der Architekt in Stuttgart im Maßstab 1:1 formen und testete die Begehbarkeit der Waage.

Wohl alle Bedenken aus dem Weg geräumt

Wie Tragflächen von Flugzeugen werde die Skulptur aus leichtem Stahl gebaut. Dass Beton der Baustoff sei, zähle zu den vielen Falschmeldungen, die in Umlauf gebracht wurden, sagt Milla. Der Architekt zählt außerdem Gerüchte über Probleme mit der Sicherheit, mit der Rampe für Behinderte oder mit dem Fundament auf. „Alle Bedenken sind zu 100 Prozent ausgeräumt“, sagt Milla – und das hätte er gerne den in Berlin politisch zuständigen Senatoren erläutert.

Dass daraus nichts wird, macht ihn nicht bange. Zumal die Unterstützung des Bundestages wohl sicher ist: Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) sprach sich zuletzt sogar in seiner Rede zum Amtsantritt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für den Bau des Kunstwerkes aus – und erntete Beifall. Sein Vorgänger Wolfgang Thierse mobilisiert bei der SPD für das Vorhaben, bisher hat sich auch dort kein entschiedener Gegner zu Wort gemeldet.

Allenfalls Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) wird nachgesagt, sie habe den Standort vor dem Schloss „kontaminiert“ genannt. Doch Kaiserdenkmal und Reichseinigung von 1871 sind das eine - das andere ist, dass am Schloss auch die Gefallenen der Märzrevolution von 1848 aufgebahrt wurden und der König seine Mütze vor ihnen ziehen musste sowie die (sozialistische) deutsche Republik von einem Fenster des Schlosses ausgerufen wurde. Deutschland, die Freiheit und die Einheit – der Streit wird wohl nie enden, bis das Werk vollendet ist.

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