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Berlin: Einsame Spitze

Deutsche Firmen beginnen, Frauen gezielt auf Chefposten vorzubereiten. In den USA ist man schon weiter

In einigen Tagen bekommt die Münchner Filiale von Mc Kinsey sehr jungen Zuwachs. Dann wird die erste Betriebskrippe mit 12 Plätzen direkt im Haus eröffnet. Die Betreuung von Kindern im Alter von bis zu drei Jahren ist nur ein Baustein des Programms „Womens’s initiative“, mit dem die Beraterfirma langfristig den Anteil von Frauen im Betrieb von derzeit 15 auf 35 Prozent erhöhen will. Eine solche Initiative ist für US-Unternehmen nicht selten. Seit Jahren stehen dort unter dem Stichwort „Diversity“ Themen wie Gleichberechtigung der Geschlechter und der ethnischen Minderheiten im Unternehmensalltag auf der Tagesordnung. Frauen sollen es auch an die Spitze großer Firmen bringen. Selbst US-Investoren zeigen mittlerweile Interesse am Thema Gleichberechtigung. Einige amerikanische Pensionsfonds investieren nur noch in Firmen, deren Unternehmenspolitik bestimmte ethische und soziale Kriterien erfüllt.

Was für die Mc Kinsey-Initiative außergewöhnlich ist: Das Pilotprojekt startet zeitgleich in Deutschland und den Vereinigten Staaten. Denn hierzulande ist man meist noch nicht so weit. Immer noch stellen Frauen nur ein Drittel der Führungskräfte. In der Chefetage sind sie noch seltener vertreten: nicht mal jeder zehnte Vorstand ist eine Frau. Noch immer sind Frauen wie Christine Licci, die seit Anfang des Jahres im Vorstand der Hypo-Vereinsbank sitzt, oder Margret Suckale, seit dem März 2005 Personalvorstand der deutschen Bahn AG, die Ausnahme in Deutschlands großen Unternehmen.

Das Antidiskriminierungsgesetz, das derzeit vor einer zweiten Lesung im Bundestag steht, hat auch darüber Diskussionen ausgelöst. Durch die Umsetzung von vier EU-Richtlinien soll gewährleistet werden, dass Frauen keine beruflichen Nachteile dadurch haben, dass sie Frauen sind. Bei Bewerbungen oder Beförderungen dürfen Frauen nicht per se ausgebremst werden. Zwar gelten diese Grundsätze auch heute schon im deutschen Arbeitsrecht, das neue Gesetz ändert aber die Beweislast. Künftig muss der Chef nachweisen, dass er nicht diskriminiert hat.

Auch Investoren sind erst dabei, das Thema zu entdecken. In Deutschland stellen rund 50 so genannter ethischer Fonds mittlerweile 4,56 Milliarden Euro Investitionsvolumen. „Das ist mit unter einem Prozent des Fondsmarktes immer noch ein Nischenmarkt, aber die Tendenz steigt“, sagt Silke Riedel, Unternehmensanalystin im Hannover-Institut für Markt, Umwelt, Gesellschaft.

US-Firmen mit deutschen Niederlassungen wie IBM, Microsoft oder HP haben ihre Grundsätze oft mit nach Deutschland importiert. Der Elektronik-Konzern General Electric (GE) hat die Allbank übernommen, in den deutschen Filialen der GE Money Bank gelten jetzt die US-Leitlinien. Dort werden alle Mitarbeiter grundsätzlich zu Themen wie Gleichberechtigung und Fairness am Arbeitsplatz geschult. „Das ist Teil unserer Unternehmenskultur“, sagt Sprecher Ingo Brengmann. Alle Firmenbereiche von GE achten auch bei ihren Zulieferern darauf, dass diese Unternehmen solche Grundsätze beachten.

Dennoch gibt es auch in Deutschland viele Unternehmen, die sich mit Programmen für Frauen einsetzen, etwa die deutsche Telekom. Seit 1998 gibt es dort ein Mentoringprogramm. Frauen werden Kollegen und Angestellte anderer Firmen für ein Jahr zur Seite stellt. Die erfahrenen Mitarbeiter geben Karrier-Tipps. „Wir konnten nach dem Training Karriereschübe beobachten“, sagt eine Sprecherin. Bei der Deutsche Bahn will man langfristig mehr Frauen in Führungspositionen haben, betreibt Kindergärten und ein Frauennetzwerk, schreibt alle Stellen mit der Option auf Teilzeit aus und vermittelt über einen Familienservice Betreuer an Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Eltern. Rund ein Drittel der Dax-Unternehmen, also der 30 größten an der Börse notierten Aktiengesellschaften, haben mittlerweile unter dem Stichwort „Diversity“ Grundsätze zur Gleichberechtigung in ihre Statuten eingetragen. „Für kleinere Unternehmen ist das nicht schwieriger“, sagt Silke Riedel. Das sei ein Frage der Einstellung.

Das neue Interesse an den Frauen hat auch pragmatische Gründe. „Die Unternehmen können auf hochqualifizierte Frauen nicht länger verzichten“, sagt Silke Riedel. Da die Bevölkerung abnehme und Frauen meist besser ausgebildet seien als Männer, bleibe bald keine Alternative mehr zu Frauen in Führungspositionen. Durch die immer stärkere Globalisierung der Wirtschaft ist zudem zu erwarten, dass die Diversity-Grundsätze der großen US-Firmen auch in Europa an Bedeutung gewinnen.

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