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Sie muss den Überblick behalten: Sandra Kochs leitet die Coronavirus-Einsatzzentrale im Rathaus Wedding.

© Julia Weiss

Einsatz in der Pandemie-Zentrale: So kämpfen Berliner Gesundheitsämter gegen das Coronavirus

Berlins Gesundheitsämter rüsten auf: Sie müssen Kontaktpersonen von Infizierten ausfindig machen und testen. Ein Besuch in der Einsatzzentrale in Mitte.

Auf dem Schreibtisch von Sandra Kochs liegt eine lange Liste mit Namen und Adressen. Alle, die darauf notiert sind, hatten Kontakt zu Corona-Infizierten und müssen auf das Virus getestet werden.

„Das ist richtige Detektivarbeit“, sagt die Ärztin. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern befragt sie die Verdachtsfälle und entscheidet, wer zuerst Besuch vom Gesundheitsamt bekommt. Kochs leitet die neue Pandemie-Einsatzzentrale im Rathaus Wedding. Hier kämpft sie gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus.

In einem großen Saal im Erdgeschoss stehen Schreibtische aufgereiht - immer im Abstand von 1,50 Metern. Die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Mitte telefonieren oder sitzen am Computer. In einem Stadtplan stecken an einigen Stellen rote Nadeln. Dorthin müssen die Ärzte ausrücken. Dafür stehen Fahrzeuge des Ordnungsamtes vor dem Rathaus bereit.

Berlins Gesundheitsämter rüsten auf, das gilt besonders für Bezirk Mitte, in dem es die meisten Corona-Fälle in ganz Berlin gibt. In Wedding gibt es nun einen zusätzlichen Standort. 150 Menschen sind insgesamt im Einsatz. Viele arbeiten sonst in anderen Ämtern des Bezirks. Weil dort gerade weniger zu tun ist, haben sie sich für den Corona-Notdienst gemeldet.

Das Rathaus Wedding in der Müllerstraße ist einer der Coronavirus-Einsatzzentralen im Bezirk Mitte.
Das Rathaus Wedding in der Müllerstraße ist einer der Coronavirus-Einsatzzentralen im Bezirk Mitte.

© IMAGO

Die Hauptaufgabe besteht darin, die Kontaktpersonen der gemeldeten Corona-Infizierten ausfindig zu machen. Mittes Amtsarzt Lukas Murajda leitet den Corona-Krisenstab des Bezirks und weiß, wie schwierig diese Aufgabe ist. „Der erste Infizierte in Mitte hatte 300 Kontaktpersonen, der zweite nur drei“, sagt er. „In jedem Fall kontaktieren wir alle.“ Je nach Nähe und Dauer des Kontakts werde dann entschieden, wer sofort in häusliche Quarantäne muss oder wem dies nur empfohlen wird. „Wir wollen die Gesunden von den Kranken trennen und so die Ausbreitung eindämmen“, sagt der Arzt.

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Im neuen Einsatzzentrum im Rathaus Wedding starten jeden Morgen sechs Teams ihre Touren durch die Stadt. Jedes besteht aus einer Ärztin oder einem Arzt, einer medizinischen Fachkraft und einem Fahrer. Bevor es losgeht, holen sie ihre Ausrüstung im Lagerraum ab.

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Die wird für jeden Einsatz in weiße Kartons gepackt. Dazu gehören ein Schutzanzug, eine Atemmaske, eine Mülltüte, Handschuhe, Schutzbrille, die Stäbchen für den Abstrich, blaue Plastiküberzüge für die Schuhe. So schützen sich die Mitarbeiter vor einer Ansteckung, wenn sie die Wohnungen der möglicherweise Infizierten betreten.

Zum Einsatz nur inkognito - und die Politiker sind abends dran

Die Schutzausrüstung ziehen die Ärztinnen und Ärzte erst vor der Haustür an. „Wir sind vorher nicht zu erkennen. Das ist uns wichtig“, sagt Murajda. Die Menschen sollen nicht von weiß gekleideten Gestalten verunsichert werden. Nach jedem Einsatz wird die Ausrüstung weggeworfen. Bisher gebe es noch ausreichend Material, versichert der Amtsarzt, aber das könne sich auch schnell ändern. „Wir planen jeden Tag neu.“

Mittags werden die Teams abgelöst, auch am Nachmittag sind sechs Teams unterwegs. Täglich werden 50 Rachenabstriche genommen, die dann im Labor auf das Coronavirus getestet werden. Am Abend startet noch eine Sondermission - dann sind die besonderen Fälle dran. Meistens handelt es sich dabei um Politiker und Diplomaten.

Statt im weißen Karton wird die Schutzausrüstung dann in einer schicken, schwarzen Tasche verstaut. Auch Kanzlerin Angela Merkel ist gerade in ihrer Wohnung in Mitte in Quarantäne. „Wir sind in Kontakt“, sagt Amtsarzt Lukas Murajda. Mehr will er nicht verraten.

Die Telefone im Einsatzzentrum klingeln im Minutentakt

Im Einsatzzentrum im Rathaus Wedding klingeln die Telefone im Minutentakt. Das Gesundheitsamt hat eine Hotline eingerichtet. Hier rufen Bürger mit der Sorge an, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben. Im begründeten Verdachtsfall raten ihnen die Mitarbeiter, sich an den Hausarzt zu wenden oder in eine der Anlaufstellen in den Kliniken zu gehen. Das Gesundheitsamt ist in diesen Fällen nicht für die Tests zuständig.

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Auch die Menschen in häuslicher Quarantäne werden vom Gesundheitsamt telefonisch betreut. Jeden Tag meldet sich ein Mitarbeiter mit den Worten „Wie geht es Ihnen heute?“. Wird der Gesundheitszustand kritisch, müssen die Infizierten sofort ins Krankenhaus. „Den meisten geht es aber gut, die sind nicht mal sonderlich krank“, sagt Murajda.

Plötzlich verstehen alle den Sinn von Gesundheitsämtern

Für viele Menschen ist die Coronavirus-Epidemie bedrohlich, doch für Lukas Murajda ist sie auch eine Chance. „Wir sind interessant geworden für die medizinische Welt“, sagt er. „Jetzt wissen plötzlich alle, was wir hier machen.“

Auch dass er jetzt endlich genug Mitarbeiter hat, findet er gut. Bisher litt das Gesundheitsamt unter chronischem Personalmangel, weil Ärzte in anderen Berufen besser bezahlt werden. Während der Krise bekommen sie viel Anerkennung. „Es ist eine spannende Aufgabe“, sagt Sandra Kochs. „Wir können sehr vielen Menschen helfen und Leben retten.“

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