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Einschulung

© Kitty Kleist-Heinrich

Einschulung: Alles in die Tüte

Der Ernst des Lebens beginnt: 25.000 Kinder werden in Berlin eingeschult. Eines von ihnen ist Felix aus Prenzlauer Berg.

Fast wäre Felix kein Känguru geworden. Aber seit heute geht der Sechsjährige in die zusätzliche erste Klasse der Thomas- Mann-Schule – die Känguru-Klasse. „Wir lernen da bestimmt Hüpfen: Doing, doing, doing, die ganze Zeit“, sagt Felix und wackelt lachend mit dem Kopf. „Und unsere Ranzen tragen wir immer vor dem Bauch wie die Kängurus ihre Babys.“ Seit Felix weiß, wie seine Klasse heißt, sind Kängurus zu seinen Lieblingstieren avanciert. Aber er freut sich nicht nur aufs Hüpfen, sondern auch auf das Schreibenlernen und auf seine Freunde Paul und Tim aus der Kita, die in seine Klasse gehen werden.

Gemeinsam mit rund 25 000 anderen Berliner Erstklässlern starten die drei heute ins Schulleben. Bei den meisten funktionierte alles nach dem gewohnten Muster: Anmeldung im Frühling, eine Schule in der Nähe, und heute eben der erste Schultag … Doch für Felix lief das ganz anders. Die Anmeldung seiner Eltern lehnte das Bezirksamt zunächst ab: Felix durfte nicht auf die Thomas-Mann-Grundschule. Und das, obwohl er direkt gegenüber an der Greifenhagener Straße wohnt. Wenn er beim Spielen aus dem Fenster schaut, sieht er in die Klassenzimmer. Manchmal singt er Melodien mit, die bei Schulfesten über die Straße klingen. Seine Eltern brachten es nicht fertig, ihm zu erzählen, dass er nach dem Willen des Bezirksamtes auf die fast einen Kilometer entfernte Carl-Humann-Schule gehen sollte. Stattdessen nahmen sie sich einen Rechtsanwalt.

Sie blieben nicht allein. Rund 100 Kinder aus der Gegend rund um Kollwitz- und Helmholtzplatz waren an drei Schulen abgelehnt worden. Der Grund: Das Bezirksamt Pankow hatte den anhaltenden Kinderboom in Prenzlauer Berg nicht berücksichtigt. Bis 2012 werden die Schülerzahlen dort um 50 Prozent steigen. Es gebe doch genügend Plätze im Bezirk Pankow, hieß es. Nur eben etwas weiter entfernt.

Doch dann erstritten die Eltern Zugeständnisse: zusätzliche erste Klassen an der Kollwitzschule und der Schule an der Marie sowie die Zusage, eine Filiale der Thomas-Mann-Schule mit zwei ersten Klassen einzurichten. Allerdings relativ weit entfernt in einer ehemaligen Schule in den Eliashöfen an der Senefelderstraße. Doch für diese beiden Klassen gab es nicht genügend Anmeldungen. Kurz vor Beginn des Schuljahres ging dann doch noch der Wunsch der Eltern in Erfüllung: Ein Werkraum in der Thomas-Mann-Schule wurde renoviert für Felix und die anderen „Kängurus“ in der Zusatzklasse. „Papa hat vor ein paar Tagen mitgeholfen, Schränke aufzustellen“, sagt Felix. Erst jetzt haben ihm seine Eltern erklärt, dass es Probleme mit seiner Einschulung gab: „Mama hat gesagt, dass sie gekämpft haben, aber so richtig habe ich das nicht verstanden.“

So wichtig findet er das gerade ohnehin nicht. Es gibt ja vor der Einschulung am Sonnabend noch so viele bedeutende Dinge zu erledigen. Die riesige Schultüte fertig basteln zum Beispiel: Auf den blauen Kegel will er bunte Buchstaben kleben. Die sind zum Glück schon vorgestanzt, er muss sie nur noch aus der Form herauspulen.

Und dann ist da noch die allererste Hausaufgabe: Einen Brief sollten die Kinder malen oder schreiben und vor dem ersten Tag in der Schule abgeben. „Ich hab’s gut, ich kann einfach schnell mit dem Brief rübergehen und muss ihn nicht mit der Post schicken wie die anderen Kinder“, sagt Felix stolz. Am liebsten würde er gleich vom zweiten Tag an allein in die Schule gehen. „Er hat mich schon beauftragt, einen Schlüssel nachmachen zu lassen“, sagt Felix’ Mutter, Cornelia Dexel, und lacht. Sie will ihn frühestens ab der zweiten Klasse allein hinüberlassen. Felix ist einverstanden. Nur eins stört ihn an der ganzen Sache mit der Einschulung: Seine beste Freundin Emma kommt auf eine Schule am anderen Ende des Bezirks. Aber mit der spielt er sowieso am liebsten abends. Und für die Pausen hat er ja Paul, Tim und die anderen Kängurus.

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