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Berlin: Einstein-Chef Hasse-Pratje

Das Café Einstein in der Kurfürstenstraße ist ein wohlduftendes, aus der Berliner Nachkriegsgeschichte kaum wegzudenkendes Denkmal. Die alte Villa von 1870, die intime Bibliothek, der schöne Garten und die DAAD-Galerie im ersten Stock.

Das Café Einstein in der Kurfürstenstraße ist ein wohlduftendes, aus der Berliner Nachkriegsgeschichte kaum wegzudenkendes Denkmal. Die alte Villa von 1870, die intime Bibliothek, der schöne Garten und die DAAD-Galerie im ersten Stock. Sogar eine eigene TV-Sendung, das Literatur-Café mit Marcel Reich-Ranicki, hat es lange Jahre gegeben. Fast jeder Name aus Kultur und Politik mit bedeutendem Klang steht auf der Gästeliste. Nur Einstein selber war nie dort.

In den zwanziger Jahren war es das Domizil des Stummfilmstars Henny Porten, später hatte die Gestapo ihr Spielcasino in dem schönen Haus. Erst 1978 haben private Investoren die heutige „Kultstätte“ nach österreichischer Kaffeehaus-Tradition eröffnet. Der junge, eher zierliche, leger modisch gekleidete Westfale mit T-Shirt und schwarzer Manteljacke, der seit 2003 das Einstein als alleiniger Gesellschafter führt, findet das Café „einfach ein tolles Haus“. So wie er es vorgefunden hat, so möchte er es im Prinzip belassen. Eine Insel der beschaulichen Tradition und deshalb jetzt auch „fußballfreie Zone“. Ausbauen möchte der Unternehmersohn allerdings das Catering – und das historische Obergeschoss für besondere Veranstaltungen mit einem Raucherzimmer mit Kamin.

Die Frage nach Umsatz und Gewinn möchte der junge Eigentümer nicht beantworten. Er sagt, das Haus mit seinen 40 „guten Geistern“ in Küche, Service und Verwaltung, davon zehn Azubis, hätte nie ein Einnahmeproblem gehabt. Auf der Ausgabenseite sei früher viel Unfug passiert. Das klingt fast wie der Finanzsenator. Die Expansion in die Coffeeshops habe viel Geld gekostet und diverse unnötige Prozesse. Heute werden die etwa zehn Läden unter der Marke Einstein von einer Deutschen Kapitalgesellschaft betrieben. Das Einstein Unter den Linden ist eine eigene getrennte GmbH, auch wenn sich auf der Speisekarte ein ähnliches Angebot findet. Es wird völlig getrennt gekocht und geröstet .

Nach Berlin ist Hasse-Pratje 2001 gekommen – nach seinem Abi in Bad Pyrmont, dem Studium in Koblenz und seiner Dienstzeit bei der Luftwaffe. Da hat er mit seiner Mutter ein Haus in der Stromstraße erworben und saniert. In ihm wohnt er heute mit seiner Verlobten „herrlich zentral“ mit Dachgarten. Gärten und Reisen, das waren schon immer seine Leidenschaften – auch in den knapp zwei Jahren, als er eine eigene kleine Softwarefirma in Berlin gegründet hatte. Wahrscheinlich hat sein Rat an die Bundesregierung dort ihre Wurzeln: Erhebt eine Mehrwertsteuer von 100 Prozent, zahlt allen ein vernünftiges Bürgergeld und schafft alle anderen Steuern ab. Das könnte auch von Einstein sein.

Heik Afheldt war Herausgeber des Tagesspiegels.

Philipp Hasse-Pratje (28). Der Diplom-Kaufmann ist geschäftsführender Gesellschafter

des Café Einstein, Stammhaus. Es liegt in der Kürfürstenstraße 58.

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