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Berlin: Einstürzende Vorurteile

Vor einem Jahr verkaufte der Alt-Playboy Rolf Eden seine Diskothek am Kurfürstendamm. Und plötzlich wird das „Big Eden“ zum angesagten Ort mit Gastgebern von Alexander Hacke bis Gloria Viagra

Wo willst du hin? Ins Big Eden? Ist nicht dein Ernst! So, oder so ähnlich reagieren gute Freunde, wenn man sie motivieren möchte, mal wieder einen Abend am Ku’damm abzutanzen. Die Reaktion zeigt: Die guten Freunde haben keine Ahnung.

Das Big Eden als Disko, Anlaufstelle für Sekretärinnen und Parfüm-Verkäuferinnen… kein Stereotyp war bislang blöde genug, um die Klientel des Big Eden zu beschreiben. Doch die Disko mit dem Hausherrn Rolf Eden, mit Miss-Wahlen jeden Monat und kreischenden Teenies auf Schulausflug, das war nicht gestern sondern vorgestern. Vor einem Jahr hat Eden seine Disko verkauft, im September 2002 startete das Big Eden unter seinen neuen Hausherren Falk Walter (Arena Treptow) und Sascha Disselkamp (Sage-Club) neu.

Es war ein Fehlstart. Das Konzept, eine Bühnenshow zu servieren und anschließend zum Tanz zu laden, ging nicht auf. Die Show mit nackten Männern, die Schlager sangen, kam nicht an. Fast unbemerkt machte das Big Eden zum Jahresbeginn 2003 wieder zu, man baute um und öffnete ohne große Werbung und Tamtam einen Monat später noch einmal mit einem neuen Konzept.

Und das sieht so aus: Jeder Abend ist nicht nur musikalisch, sondern auch thematisch vorgegeben, und die Freitage im Big Eden (musikalisch immer zwischen Rock und Elektro pendelnd) sind an Gastgeber gebunden, die ihrem Abend ein ganz eigenes Gepräge geben. Besonders gut geklappt hat das bei Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten), der immer am dritten Freitag im Monat zu „Bada Bing!“ mit Punk und Elektro lädt und dem Doppel Sherry Vine und Gloria Viagra, die immer am ersten Freitag im Monat Rockiges auflegen und live spielen lassen bei ihrer Party „Squeeze Box“. Beide Abende sind mittlerweile echte Renner, in Szenekreisen raunt man sich Codewörter zu, die dann am Einlass zum reduzierten Eintrittspreis berechtigen.

„Alex Hacke sagt, mit ,Bada Bing!’ habe er sich endlich einen Kindheitstraum erfüllt.“ Der das sagt ist Andreas Schwarz und der Name, der für den Erfolg des neuen Big Eden steht. Schwarz ist in der Clubszene bekannt wie ein bunter Hund. Als 21-Jähriger übernahm er nicht nur die Geschäftsführung des legendären Techno-Clubs Bunker in der Reinhardtstraße, sondern verpasste ihm auch das Image, das der seit acht Jahren geschlossene Laden noch heute hat. „Damals habe ich zum ersten Mal Gastgebern einzelne Abende übertragen“, sagt er. Das Ergebnis: „Es war großartig.“ In „Tanjas Nachtcafé“ wurden Künstler wie Pigor und Eichhorn groß, „Bärbels Burnout“ war eine Keimzelle der Mitte-Szene, Gabba-Raver trafen im Bunker auf Schauspieler aus dem Deutschen Theater.

Schwarz hatte sich mit dem Bunker einen unerschütterlichen Ruf als Club-Macher erworben. Kaum ein Laden, der nicht auf seinen Rat zählte: Qxymoron, Kalkscheune, Trompete – überall hatte er seine Finger im Spiel. Beim Big Eden überraschte ihn die Langlebigkeit des Mythos als Rolf Edens Schunkelschuppen.

Was könnte also die Leute bewegen, wieder ins Big Eden zu gehen? Andreas Schwarz wollte einen Club für Erwachsene, setzte die Preise fürs Bier herunter und inhaltlich auf ein altbewährtes Club-Konzept: Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Und Live-Musik. Einzige Vorgabe für alle Gastgeber sind zwei Stunden Live-Musik. Da spielen zum Beispiel die beiden Frauen von „Kobrakiller“ so enthusiastisch bei der „Squeeze Box“, dass sie sich schließlich gegenseitig mit Rotwein übergießen und das Publikum frenetisch jubelt. Oder Axel Hacke lädt sich ein Mandolinenorchester ein, das sich dann in Country versucht. Oder es spielt eine koreanische Kombo…

Ein kleines Club-Wunder. „Ach“, sagt Andreas Schwarz, „so schwer war das nun auch wieder nicht.“ Er ist bescheiden und arbeitet weiter am Konzept des neuen Big Eden: Jetzt ist auch donnerstags die Bude voll, wenn es R’n’B-Partys gibt. Auch als Konzerthalle ist Edens-Ex-Lokal wieder im Gespräch. Und am 20. September soll groß gefeiert werden, das Einjährige unter neuer Regie.

Big Eden, Kurfürstendamm 202

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