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Berlin: Ein Traum von einer Metropole

Wohnungen in der City sind gefragt wie selten. Jetzt zieht der Neubau an – und das nicht nur in der Innenstadt.

Das Grußwort ist gesprochen, der Kranz gehisst, der Weißwein gekühlt. An einem sonnigen Junitag schauen sich die Gäste des Richtfests der Beuth-Höfe um, betrachten die in die Höhe wachsenden Wohnhäuser – und staunen, wie sehr sich die Stadt verändert hat. Denn genau dort, wo jetzt ein neues Viertel entsteht, erstreckte sich noch Jahre nach dem Fall der Mauer eine riesige Brache. Jetzt aber errichten verschiedene Investoren in der Nähe des Spittelmarkts in Berlin-Mitte rund 850 Wohnungen. Und Klaus Groth, dessen Groth-Gruppe die Beuth-Höfe baut, sagt in seiner Richtfestrede einen gewichtigen Satz: „Diese Baustelle ist das Spiegelbild des wachsenden Berlins.“

In der Tat: Berlin wächst. Jeweils etwa 40 000 Einwohner hat die Stadt in den vergangenen beiden Jahren hinzugewonnen, und bis zum Jahr 2030 rechnet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit einer weiteren Zunahme um 250 000 Einwohner. Diese Menschen brauchen Platz – kein Wunder, dass in Berlin derzeit so viele Wohnungen errichtet werden wie seit Jahren nicht mehr. Den Bau von 9940 Wohnungen genehmigten die Behörden im vergangenen Jahr, über ein Drittel mehr als 2011. Das aber reicht noch nicht: Der Senat verfolgt in seinem Vorentwurf für den Stadtentwicklungsplan Wohnen das Ziel, bis zum Jahr 2020 jedes Jahr rund 11 500 Wohnungen bauen zu lassen.

Während die Politik noch darüber debattiert, wie sie den Wohnungsbau finanziell am sinnvollsten fördern kann, machen Projektentwickler und Investoren Nägel mit Köpfen. Dabei erweitern sie ihr Betätigungsfeld. Denn während sie in den vergangenen Jahren fast nur Eigentumswohnungen im Stadtzentrum errichteten, rücken jetzt auch Lagen weit außerhalb des S-Bahn-Rings ins Blickfeld. 280 Wohnungen sollen beispielsweise im Projekt Cedelia am Dahlemer Weg in Zehlendorf entstehen, 850 in Spindlersfeld, 1200 am Rand des Technologieparks Adlershof.

Ermöglicht werden diese Bauaktivitäten, weil sich Käufer und Mieter mittlerweile verstärkt auch außerhalb des Stadtzentrums umsehen. Ein Indiz dafür benennt Maren Kern, die Chefin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU): Sogar im Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf „hat sich die Leerstandsquote im Zehn-Jahres- Vergleich um fast zehn Prozentpunkte verringert“. Davon, dass es mittlerweile schwer geworden ist, innerhalb des S-Bahn-Rings eine günstige Eigentums- oder Mietwohnung zu finden, profitieren auch diejenigen Gebiete, die an die besonders begehrten Stadtteile wie Prenzlauer Berg, Kreuzberg und Friedrichshain grenzen. „Aufgrund der hohen Nachfrage nach Wohnraum weichen Interessenten und Investoren unter anderem nach Pankow, Neukölln, Lichtenberg und Treptow aus“, sagt Rainer Bahr, geschäftsführender Gesellschafter des Projektentwicklers Econcept. Das zeigen zum Beispiel die 300 Wohnungen im Projekt Carré Parkaue, das die Leipziger CG Gruppe realisiert – nahe am Szenestadtteil Friedrichshain, aber eben doch schon im Bezirk Lichtenberg, den viele Ortsunkundige mit Plattenbauten und Stasi-Vergangenheit gleichsetzen.

Dass im Carré Parkaue nicht etwa Eigentums-, sondern Mietwohnungen entstanden sind, verdeutlicht einen zweiten Trend: In Berlin werden wieder Wohnungen zur Miete gebaut. Daran beteiligen sich auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften. „Zum ersten Mal seit zehn Jahren baut die Degewo wieder ein Mietshaus“, sagte Frank Bielka, Vorstandsmitglied der Degewo, als diese im März den ersten Spatenstich für 52 Wohnungen in Marienfelde feierte.

Mittelfristig will die Degewo etwa 1500 Wohnungen an verschiedenen Standorten errichten. Den Bau von etwa 1000 Wohnungen plant die Howoge. Beispielsweise sollen 400 Wohnungen auf dem Areal eines seit 18 Jahren leer stehenden ehemaligen Studentenwohnheims in Karlshorst entstehen, weitere 400 auf dem Gelände des ehemaligen Kinderkrankenhauses Lindenhof.

Die Renaissance des Mietwohnungsbaus wird hingegen nicht allein von Wohnungsbaugesellschaften getragen. Auch immer mehr institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen glauben an den Standort Berlin und kaufen hier Wohnungen. Die 117 Mietwohnungen in den Beuth-Höfen zum Beispiel hat die Bayerische Versorgungskammer erworben. Die Mieten werden somit künftig dazu beitragen, die Altersversorgung der bayerischen Rechtsanwälte und Steuerberater zu sichern.

Doch die Anleger kommen nicht nur aus Süddeutschland, sondern aus der ganzen Welt. „Berlin ist der Hotspot für Immobilieninvestoren“, stellt Corvin Tolle fest, geschäftsführender Gesellschafter des Maklerunternehmens Rohrer Immobilien. Im unsicheren Umfeld der Euro- Zone gelte Deutschland als robust und stabil, erläutert er. „Und Berlin ist aufgrund des niedrigen Preisniveaus im Vergleich zu europäischen und deutschen Städten ein extrem nachgefragter Investmentstandort.“

Wenn Tolle von einem „niedrigen Preisniveau“ spricht, dürften viele Berliner empört widersprechen – doch auch BBU- Chefin Maren Kern hält fest: „Die Wohnkosten in Berlin sind deutlich niedriger als beispielsweise in München.“ Dass das nicht so bleibt, ist die Erwartung vieler Investoren. „Die besondere Attraktivität Berlins beruht auf den hohen Wertsteigerungspotenzialen“, formuliert es Marc Wiese, Vorstand des Bauträgers Sanus.

Allerdings bezweifeln viele Fachleute, dass die Preise weiter so stark steigen werden wie in den vergangenen Jahren. Eine „moderate“ Steigerung der Miet- und Kaufpreise erwartet beispielsweise Philipp C. Tabert vom Maklerunternehmen Winters & Hirsch. Und auch eine mögliche Erhöhung des Zinsniveaus dürfte Experten zufolge den Preisanstieg dämpfen. Dennoch habe der Berliner Wohnungsmarkt keinen Einbruch zu befürchten, glaubt Wohnungsmakler Nikolaus Ziegert: „Die Berlin-Rallye ist noch nicht vorbei.“ Und BBU-Chefin Maren Kern fordert dazu auf, das Interesse an Berlin als Chance zu begreifen: „Berlin muss in seiner Metropolenrealität ankommen: keine Insel mehr, kein Sonderstatus, sondern ein dynamisch wachsendes Wirtschaftszentrum mitten in Europa.“

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