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Berlin: „Einzelverträge mit Kassen verhindern die freie Arztwahl“

Der Impfstreit zwischen Kassenärztlicher Vereinigung (KV) und den Ersatzkassen eskaliert. Nun greift auch die Senatsgesundheitsverwaltung in die Auseinandersetzung ein.

Der Impfstreit zwischen Kassenärztlicher Vereinigung (KV) und den Ersatzkassen eskaliert. Nun greift auch die Senatsgesundheitsverwaltung in die Auseinandersetzung ein. Der öffentliche Gesundheitsdienst soll die Kinderschutzimpfungen übernehmen. Die Krankenkassen versuchen darüber hinaus, mit den niedergelassenen Medizinern Einzelverträge über die Abrechnung der Impfhonorare abzuschließen. Bisher haben rund 250 Ärzte unterschrieben. Ingo Bach sprach mit dem Vorsitzenden der Berliner KV, Manfred RichterReichhelm, über die Folgen der Kassenstrategie für die Patientenversorgung und die Kassenärzte.

Die Gesundheitsstaatssekretär Hermann Schulte-Sasse möchte den Öffentlichen Gesundheitsdienst für die Kinderschutzimpfungen einsetzen, solange der Streit zwischen Ersatzkassen und Kassenärzten andauert. Wie beurteilen sie dieses Vorgehen?

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Senatsgesundheitsverwaltung Partei ergreift. Das Angebot des Staatssekretärs ist mit einer Verletzung der Tarifautonomie vergleichbar. Man stelle sich nur mal vor, der Staat biete im Fall eines Streiks bei der Stadtreinigung an, die Bundeswehr zur Müllabfuhr einzusetzen.

Eine Einigung im Impfstreit ist derzeit in weiter Ferne. Die Ersatzkassen setzen vor allem auf das Instrument der Einzelverträge mit den Ärzten, unter Umgehung der Kassenärztlichen Vereinigung. Was bedeutet dies für die Gesundheitsversorgung der Patienten?

Dann wird es häufig passieren, dass der Kinderarzt, der den kleinen Patienten bisher immer betreut hat, diesen unter Umständen nicht mehr impfen kann, weil die Mutter bei der falschen Kasse versichert ist. Sie muss dann für die Kinderschutzmpfung zu einem ihr unbekannten Arzt, der einen Vertrag mit den Ersatzkassen hat. Die vollständige Versorgung beim Doktor um die Ecke gibt es dann nicht mehr.

Auch bei den Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke, über die die Krankenkassen mit den regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen gerade verhandeln, drohen die Kassen mit Einzelverträgen, falls man sich nicht einigen könne. Ein ähnliches Vorgehen favorisiert auch die Bundesregierung, um den Einfluss der „Medizinerlobby“ zu beschneiden. Ist die Behandlungsqualität gefährdet?

Einzelverträge mit den Kassen bedeuten, dass der Patient nicht mehr die freie Arztwahl hat und sich unter Umständen nicht mehr vom Doktor seines Vertrauens behandeln lassen kann. Er muss dann zu einem Arzt, den die Kasse für ihn aussucht. Und die Kassen werden natürlich nur die Ärzte auswählen, die zwar eine gewisse Qualität liefern, aber auch sehr kostengünstig arbeiten. Damit wird für die Kassenärzte ein enormer ökonomischer Druck aufgebaut. Sie müssen um die Vertragsverlängerung fürchten, wenn sie aus Kassensicht zu teuer behandeln. So kann es unter Umständen dazu kommen, dass der Arzt einem Diabetiker zum Beispiel nicht immer die besten, weil zu teuren Medikament verschreibt.

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