zum Hauptinhalt
Der Bodenbelag könnte durch eine sogenannte "wassergebundene Wegdecke" ersetzt werden. Die werden oft auf Parkwegen verwendet. Durch Pigmentierung lassen sich Muster erzeugen.

© TDB

Berlin: Einziges belebendes Element ist der Wochenmarkt Es ist alles da: Raum zum Queren, Platz zum Verweilen Leerer Raum? Herausforderung angenommen

Den Großteil der Woche ist der Antonplatz ein zugiger Durchgang mit Glassplittern, Kaugummi und Zigarettenstummeln auf dem Boden. Nur dienstags und freitags ist das anders, denn dann findet hier zwischen 9 und 18 Uhr der Wochenmarkt statt und lockt viele Besucher, auch aus dem nahe gelegenen Prenzlauer Berg.

Den Großteil der Woche ist der Antonplatz ein zugiger Durchgang mit Glassplittern, Kaugummi und Zigarettenstummeln auf dem Boden. Nur dienstags und freitags ist das anders, denn dann findet hier zwischen 9 und 18 Uhr der Wochenmarkt statt und lockt viele Besucher, auch aus dem nahe gelegenen Prenzlauer Berg. An 15 Ständen werden frische Backwaren, Fisch, Wurst- und Käsespezialitäten angeboten, die meisten Produkte kommen aus der Region. Das Qualitätsbewusstsein der Kunden, sagt Marktbetreiber Rainer Perske, habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen und sei ein Indiz für den Wandel in Weißensee. Bis zur Umgestaltung vor vier Jahren fand der Markt auf dem Südteil statt, danach musste er in den nördlichen Bereich ausweichen. Für Perske kein großes Problem: „Es ist zwar etwas enger, aber wir müssen uns den Gegebenheiten fügen.“ Für ein bisschen mehr Atmosphäre auf dem Antonplatz versucht Apotheker Bodo Hildebrandt in der Weihnachtszeit zu sorgen. Der stellvertretende Vorsitzende der IG City Weißensee sammelt bei den ansässigen Gewerbetreibenden Geld für die Weihnachtsbeleuchtung. Knapp 9000 Euro kostet die Illumination der Berliner Allee und des Platzes, auf dem dann eine Tanne steht. hey

Die Nutzungsgewohnheiten berücksichtigen und gleichzeitig die Aufenthaltsqualität verbessern, darum geht es den Planern von TDB Landschaftsarchitektur bei der Neugestaltung des Antonplatzes. Seine Funkionalität wird vor allem durch die nahe gelegene Tramhaltestelle geprägt. Die meisten Passanten wollen auf möglichst direktem Weg von der Haltestelle in die umliegenden Straßen gelangen – oder andersrum. Ein Überqueren ohne Hindernisse zu ermöglichen und zugleich einen Ort zum Verweilen zu schaffen, sei gestalterisch nicht leicht umzusetzen gewesen, sagt Karl Thomanek. Die Planer verfolgen in ihrem Entwurf die Strategie der „minimalen Invasion“. Soll heißen: kleine Veränderungen mit großer Wirkung. Ihr Vorschlag ist eine Neuinterpretation des historisch grünen Stadtplatzes, für den der „Jardin du Luxembourg“ im Pariser Quartier Latin als Inspiration diente. Dort stehen in einem Teilbereich des ehemals königlichen Schlossparks Dutzende Stühle, die es den Besuchern ermöglichen, ihren Spaziergang zu unterbrechen, kurz innezuhalten und den Anblick des Parks zu genießen. Die Idee, den Antonplatz mit Stühlen zu bestücken, soll an möblierte Plätze im Mittelmeerraum erinnern und eine Art „Urlaub im Kopf“ erzeugen, sagt Eva-Maria Boemans. Ein weiterer Vorteil: Sie sind nach Belieben zu verrücken und ermöglichen, im Gegensatz zu den derzeit fest verankerten Bänken, ein hohes Maß an Flexibilität. Sie können zu Sitzgruppen angeordnet oder an den Markttagen komplett beiseitegeräumt werden. „Man kann mit den Stühlen so agieren, wie man es gerade braucht“, sagt Boemans. Dass diese Art der Gestaltung funktionieren kann, beweise der Rüdesheimer Platz, sagt Karl Thomanek. Der wurde mit robusten Stahlstühlen möbliert, im Sommer sieht man dort Anwohner bis in den späten Abend beisammensitzen. Eine Wertschätzung des Konzepts ist also Voraussetzung.

Ein oft genannter Kritikpunkt am Antonplatz ist der Bodenbelag. Karl Thomanek bescheinigt ihm zwar Hochwertigkeit, aber der verwendete Naturstein habe den Nachteil, dass er schnell verschmutzt. Der Planer schlägt daher vor, die Platten teilweise zu entfernen und durch eine sogenannte wassergebundene Wegedecke zu ersetzen, also durch einen Belag, wie er häufig für Parkwege benutzt wird. Der Vorteil: Er lässt sich mit Pigmenten einfärben, so dass man Muster erzeugen kann. Die im Entwurf miteinander verbundenen Kreise sollen jedoch nur „skizzenhaft und assoziativ“ eingesetzt werden. Die Fläche soll sich durch die Kanten und Bezüge aus der angrenzenden Bebauung ergeben.

Deutlich härter fällt das Urteil der Planer über die derzeit vorhandenen Bäume auf dem Platz aus. Der Weißdorn sei ungünstig gewählt, weil er nur langsam wachse und kleine Kronen bilde, die kaum Schatten spenden. Deshalb plädiert das Team dafür, ihn zu entfernen und durch Platanen zu ersetzen. Die Platane ist ein typischer Stadtbaum, der zwar erst spät Laub trägt, es aber lange hält. Außerdem wächst er schnell und bildet ein breites Dach. Die Bäume, so die Idee, würden mit der vor vier Jahren neu gestalteten Fläche auf dem südlichen Teil des Platzes korrespondieren. Mehr Grün, zum Beispiel in Form von Rasen oder Pflanzenkübeln, brauche es nicht, denn in Weißensee gebe es im Gegensatz zu einigen anderen Bezirken genügend Grünflächen. Nana Heymann

Die größte Herausforderung, sagt Eva-Maria Boemans (links im Bild), sei gewesen, einen Platz zu schaffen, der ein barrierefreies Überqueren ermöglicht, aber zum Bleiben einlädt. Die Landschaftsarchitekten von TDB fanden eine Lösung – nicht zum ersten Mal. Das Team reüssierte schon mit der Gestaltung der Dachgärten für das Beisheim-Center am Potsdamer Platz, dem Vorgarten des Max-Liebermann-Hauses am Pariser Platz oder der Uferpromenade und Freifläche der Rummelsburger Bucht. In Paris gestalteten sie einen Privatgarten, in Mainz den Campus der Gutenberg-Universität. 180 Projekte haben die Planer seit dem Start 1989 verwirklicht. Gegründet wurde das Büro von Karl Thomanek, später kamen Hiltrud Duquesnoy und Eva-Maria Boemans als Gesellschafterinnen hinzu; mittlerweile beschäftigen sie acht Angestellte. hey

TDB Landschaftsarchitektur, Hauptstraße 23–24, 10827 Berlin. www.tdb-berlin.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false