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Eis und Schnee: Streusalz-Notstand verschärft sich

In diesem Winter hat sich der Bedarf an Streusalz verdreifacht, die Produzenten kommen hinter den Bestellungen nicht hinterher. Nun sollen Importe aus den USA und Chile helfen.

Die Aussichten für die Autofahrer in Berlin und Brandenburg klingen wenig verheißungsvoll. Da am heutigen Mittwoch und am Donnerstag die tagsüber leicht angetauten Straßendecken nachts wieder gefrieren, bleiben viele Wege spiegelglatt. Weiterhin sind auf einigen dreispurigen Autobahnen die Überholspuren nicht uneingeschränkt befahrbar. Auch wenn am Freitag wärmere Luft einströmen soll, ist der Winter noch längst nicht überstanden und damit auch die Glätte auf den Straßen. „Nach wie vor reicht das Streusalz einfach nicht aus, weil der Lieferant nur einen Bruchteil der bestellten Mengen schickt“, klagt der zuständige Landesbetrieb Straßenwesen.

Der besagte Lieferant sitzt in Bernburg im benachbarten Sachsen-Anhalt. Hinter der Adresse verbirgt sich ein riesiger Komplex zur Herstellung und Lagerung des kostbaren und in diesem Winter allerorten händeringend gebrauchten Auftausalzes. „In ganz Europa herrschen extreme Witterungsbedingungen, so dass überall Streusalz nachgefragt wird“, sagt der Pressesprecher der in Hannover ansässigen Esco (European Salt Company GmbH), Holger Bekemeier. Die Esco gehört mit einer Jahresproduktion von sechs Millionen Tonnen Salz zu den führenden Produzenten in Europa. Die rund 20 Produktions- und Vertriebsstandorte finden sich in Deutschland, Polen, Tschechien, Schweden, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. „Die Nachfrage nach unserem Salz ist derzeit dreimal so hoch wie im bisherigen Rekordwinter 2009/2010“, bestätigt Sprecher Bekemeier.

Esco liefere zwar mehrere zehntausend Tonnen täglich, der Bedarf sei aber noch deutlich höher. Es werden daher größere Mengen von Schwestergesellschaften in Nord- und Südamerika, vor allem in den USA und Chile, importiert. Allerdings dauert eine Schiffspassage rund drei Wochen, so dass mit einer kurzfristigen Entspannung nicht zu rechnen ist. „Wir machen in diesen Wochen absolut neue Erfahrungen, da niemand mit diesen wirklich ungewöhnlichen Bedingungen auf dem ganzen Kontinent rechnen konnte“, sagte Bekemeier. „Dabei hatten wir nach dem letzten Winter unsere Mitarbeiterzahl in der Produktion von Auftausalz schon um 120 auf rund 1000 aufgestockt. Die Lagerkapazität wuchs um 100 000 auf insgesamt 900 000 Tonnen.“ Doch der Weg von den großen Umschlagplätzen zu den einzelnen Straßenmeistereien oder Städten ist gerade in diesen Tagen sehr mühevoll. Gütertransporte steckten stundenlang fest oder die Laster kamen auf den Autobahnen ins Rutschen.

Künftig müssen sich Kommunen und Autobahnmeistereien wohl noch größere Lagerkapazitäten anschaffen, damit nicht schon Mitte Dezember wie in Brandenburg die gesamte Streusalzmenge eines Winters aufgebraucht ist. Eine vom Bundesverkehrsministerium im Februar und jetzt von Nordrhein-Westfalen ins Gespräch gebrachte „nationale Streusalzreserve“ wird vom Produzenten Esco skeptisch beurteilt. „Da ist der Streit zwischen den Bundesländern um Prioritäten schon programmiert“, sagt Sprecher Bekemeier.

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