zum Hauptinhalt
Es ist ein Junge! Und ein Fritz!

© Tierpark Berlin/dpa

Eisbärenjunge im Tierpark Berlin: Tierrechtler: Fritz wird an Verhaltensstörungen leiden

Im Berliner Tierpark hat man alles für den "Knut-Effekt" vorbereitet. Tierrechtler sprechen jedoch von "vorsätzlicher Tierquälerei". Der Tierpark wehrt sich und spricht von falschen Darstellungen.

Fritz heißt er also, der neue Eisbärenjunge im Tierpark Friedrichsfelde. Der Neue könnte einen ebenso großen Hype auslösen wie sein Zoo-Vorgänger Knut. Die Weichen dafür sind gestellt: Um einen Namen für das Tier zu finden, wurde ein breiter Medienrummel betrieben. Bereits kurz nach der Verkündung des Namens äußerten sich Radiostationen, Politiker und Cola-Hersteller dazu auf Twitter. Der Tierpark erwartet erhöhte Besucherzahlen. „Ich bin sehr glücklich mit dem Namen, er ist kurz und knackig, sodass auch Besucher aus dem Ausland ihn sich gut merken können“, hatte Tierparkdirektor Andreas Knieriem am Dienstag mitgeteilt.

Tierrechtler werfen der Tierparkleitung nun vor, aus Marketing- und Profitgründen Eisbärenbabys zu züchten und auf einen neuen Knut-Effekt zu setzen. Durch die mangelhaften Haltungsbedingungen entstünden schwere Verhaltensstörungen. "Obwohl bekannt ist, dass die viel zu kleinen Gehege schwere Zwangsstörungen bei den intelligenten Tieren verursachen, scheut die Tierparkleitung nicht, weiterhin Tiere in dieser leidverursachenden Umgebung nachzuzüchten", sagte Peter Höffken von der Tierrechtsorganisation "Peta" dem Tagesspiegel am Mittwoch.

"Tierparkverantwortlichen gehen über Leichen"

Der Tod eines der Neugeborenen nur wenige Tage nach seiner Geburt im vergangenen November zeige, "dass die Tierparkverantwortlichen buchstäblich über Leichen gehen, um die Kassen klingeln zu lassen." Für seine "Eisbärenzurschaustellung" nehme der Tierpark sowohl Verhaltensstörungen der Tiere als auch den Tod von Jungtieren in Kauf.

"Marketing und Profitgründe spielen bei der Zucht des Eisbären keine Rolle", hieß es vonseiten des Tierparks am Mittwoch zu der Kritik. Die Tiere würden sich exakt wie im natürlichen Lebensraum verhalten. "Eine bessere und natürlichere Haltung kann man einem Eisbären nicht bieten als ihn züchten zu lassen (das gilt ebenso für alle anderen Säugetiere)", sagte Tierpark-Kurator Florian Sicks dem Tagesspiegel. "Dass ein Tier (insbesondere Raubtier) mal auf und abläuft ist keine Verhaltensstörung sondern Ausdruck einer Erwartungshaltung (z.B. bevorstehende Fütterung etc.)."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Nach dem Tod des namenlosen Geschwisters von "Fritz" hatte die Tierparkleitung mitgeteilt, der Tod des Tieres sei natürlich gewesen. Höffken, Fachreferent für Tiere in der Unterhaltungsbranche bei "Peta", sieht das anders. Zoos würden immer wieder behaupten, dass zoospezifische Missstände normal seien. Die hohe Sterblichkeit von Eisbärenbabys hänge unmittelbar mit den Verhaltensstörungen zusammen, die Eisbären in Gefangenschaft entwickeln. "Das liegt ursächlich an dem Umstand, dass die Mütter von klein auf kein normales Sozialverhalten erlernen konnten, denn sie sind in der Regel selber im Zoo groß geworden, wo nichts natürlich ist."

Camilla Schuler, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Lichtenberg sagte dem Tagesspiegel, man freue sich erst einmal über den Nachwuchs im Tierpark. Generell sei aber zu hinterfragen, ob die Haltung von Tieren in Gehegen artgerecht sei. Kurator Sicks sagte, man sei sehr traurig über den Tod des Jungtieres. "Allerdings kommt dies auch im natürlichen Lebensraum häufig vor." Etwa die Hälfte aller Eisbären-Jungtiere würden die ersten Monate nicht überleben.

Tierpark erstellt Bewegungsplan für Fritz

In freier Wildbahn würden Eisbären bis zu 100 Kilometer pro Tag wandern, sagt Höffken von Peta. "Wird ihnen die Möglichkeit zur artgemäßen Bewegung genommen, entwickeln die Tiere auffällige Verhaltensstereotypien." Auch Georgia Mason, Verhaltensforscherin vom Institut für Zoologie der Universität Oxford, hatte vor einiger Zeit geschrieben: Je größer die tägliche Laufstrecke und das Revier des freien Tieres sei, desto höher falle die Säuglingssterblichkeit der Art in Gefangenschaft aus. Besonders deutlich sei es beim Polarbären: Das kleinste Revier des Einzelgängers in Freiheit sei etwa eine Million Mal größer als ein übliches Zoogehege.

Höffken von Peta: "Die Leute sollten wissen, dass auch 'Fritz" zwangsläufig Verhaltensstörungen in der mangelhaften Haltung entwickeln wird. Es ist eine vorsätzliche Tierquälerei." Tierpark-Kurator Sicks zufolge legen Eisbären diese weiten Strecken in freier Wildbahn nur zurück, da sie in einem der lebensfeindlichsten Lebensräume der Welt leben, wo Futter weit verteilt vorkommt. "Im Zoo hingegen ist die Nahrung leicht verfügbar und somit auch keine großen Strecken notwendig." Wichtig sei es, Eisbären in Zoos viel zu beschäftigen. Im Tierpark habe man einen "Beschäftigungsplan" entwickelt, "mit dessen Hilfe der Alltag der Eisbären abwechslungsreich gestaltet wird."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false