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Berlin: Eisbrecher auf der Oder geben auf

Wasser fließt nur noch bis Schwedt ungehindert ab Weiter komplizierte Lage auf vielen Autobahnen

Schwedt – Die Oder im Nordosten Brandenburgs verschwindet immer stärker unter einer dicken Eisdecke. Derzeit fließt das Wasser nur noch bis zur Höhe der 90 Kilometer nordöstlich Berlins gelegenen Stadt Schwedt weitgehend ungehindert ab. Dort beginnt dann der bis zu zwei Meter dicke Eispanzer, der sich bis ins Stettiner Haff zieht. Die Oder friert stets vom Norden nach Süden zu. Daher haben deutsche und polnische Eisbrecher am Sonnabend und Sonntag versucht, bei Stettin die Abflussrinne in Richtung Ostsee aufzubrechen beziehungsweise freizuhalten. Am gestrigen Montag fuhren die Eisbrecher allerdings wieder in ihre sicheren Häfen zurück und stellten ihre Arbeit ein. Angesichts der für Dienstag und Mittwoch im Oderraum erwarteten Tiefsttemperaturen zwischen 16 und 18 Grad Celsius würden die mühevoll gebrochenen Eisschollen schnell zu undurchdringlichen Barrieren zusammenfrieren und sich an Brücken oder Flussbiegungen stauen. Dadurch erhöht sich dann die Gefahr von Deichbrüchen oder Überflutungen. Außerdem wird ein eisiger Wind aus dem Norden prophezeit, der Wasser und Eisschollen vom Oderhaff wieder in den Fluss zurückdrückt.

Auf deutscher Seite herrscht zwischen Mescherin und Kienitz im Oderbruch bereits die erste von vier Hochwasseralarmstufen. Das Hauptaugenmerk gilt der Mündung der Warthe in die Oder bei Küstrin. Hier treffen im Moment Eisschollen beider Flüsse aufeinander. „Das könnte die Situation verschärfen“, erklärte das Hochwassermeldezentrum in Frankfurt. Ein Ausrufen der dritten Hochwassermeldestufe wird nicht mehr ausgeschlossen. Das letzte große Winterhochwasser an der Oder gab es 1981/82. Bei Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius, so vermerken es die Chroniken, kam es ab Mitte Januar zu „Eisversetzungen von bis zu drei Meter Höhe“.

Im Spreewald sind die meisten Wasserarme noch nicht zugefroren, so dass sich Schlittschuhläufer noch gedulden müssen. Der hohe Wasserstand führt hier zu einer beschleunigten Wasserführung. Hohe Wasserstände hat auch die Havel erreicht. In Rathenow liegt der Pegel bereits oberhalb der zweithöchsten Alarmstufe. Da die Elbe an der Mündung der Havel in Havelberg ebenfalls angestiegen ist, kann der Brandenburger Fluss sein Wasser nicht mehr in vollem Umfang loswerden. Die Auswirkungen sind durch erhöhte Pegelstände auch in Berlin zu spüren.

Etwas beruhigt hat sich am Montag die Lage auf den Autobahnen, obwohl noch immer nicht alle Fahrspuren auf den Autobahnen ausgiebig gesalzen sind. Der zuständige Landesbetrieb Straßenwesen erwartete im Laufe des Tages eine Lkw-Ladung von Salz aus dem benachbarten Sachsen-Anhalt. Es dürfte aber kaum lange reichen. Der Chef des Betriebes, Hans-Reinhard Reuter, hatte zeitweilige Sperrungen von Straßen wegen Salzmangels nicht ausgeschlossen. Vor dem Wintereinbruch Anfang Dezember waren die Lager der Autobahnmeistereien nach seinen Angaben wie geplant mit insgesamt 45 000 Tonnen Salz voll gewesen. „Normalerweise reicht diese Menge Salz für mindestens einen halben Winter. Es hat auch schon Winter gegeben, in denen lediglich 20 000 Tonnen Salz gebraucht wurden“, sagte Reuter.

Doch auch ohne diese behördliche Anordnung kam der Straßenverkehr auch am Montag an vielen Stellen ins Stocken. Vor allem auf dem südlichen und östlichen Teil des Berliner Autobahnrings, auf der A 24 zwischen Berlin und Hamburg sowie auf der A 13 Berlin–Dresden blockierten quer stehende Lastwagen und andere verunglückte Autos den Verkehr. Bei Putlitz in der Prignitz geriet ein mit etwa 1 000 lebenden Puten beladener Laster wegen unangepasster Geschwindigkeit ins Rutschen und kippte an der Mittelleitplanke der Autobahn um. Zahlreiche Tiere flüchteten und mussten von Polizei und Feuerwehr eingefangen werden, wobei viele Puten das Unglück nicht überlebten. Im Fläming und in der Uckermark liegen die Schneeberge an den Straßenrändern teilweise schon so hoch und breit, dass zwei Lkw nicht mehr aneinander vorbeifahren können.

Nach Auskunft des Deutschen Wetterdienstes in Potsdam liegt in den Weiten Brandenburgs so viel Schnee wie seit 110 Jahren nicht mehr. Wie eine Nachfrage bei Straßen- und Autobahnmeistereien ergab, liegen die derzeit gemessenen Höhen von 35 bis 40 Zentimetern sogar über den bisherigen Rekordschneehöhen vom vergangenen Februar. Damals lag die weiße Pracht aber nur zwei bis drei Wochen. Claus-Dieter Steyer

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