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Berlin: Eisenmans Berlin-Debüt

Der amerikanische Architekt wurde mit dem Holocaust-Mahnmal berühmt. Zuvor hatte er bereits am Checkpoint Charlie gebaut

„Das ist schon komisch: Es gibt nicht immer rechte Winkel“, sagt Philippe Grune und weist auf eine Wand des Wintergartens. Sie ist leicht schräg, was zunächst gar nicht auffällt. „Aber der Bau ist von guter Qualität, ich wohne gern hier“, versichert der Student. Seine Mutter Barbara, eine Tierärztin, stimmt ihm zu. „Nur beim viel zu kleinen Wintergarten hat sich der Architekt wohl vertan.“

Joachim Hans von Ziethen, den Husarengeneral, kennt jeder im Haus. Der Mann, so lehrt eine Tafel am Hauseingang Kochstraße 62, wohnte von 1761 bis 1786 an diesem Ort. Der Alte Fritz besuchte ihn hoch zu Ross. Peter Eisenman, den Architekten des Holocaust-Mahnmals, kennt auch fast jeder im Haus. Dass der weltberühmte Planer aber auch das Kreuzberger Mietshaus entworfen hat, war bislang keinem bekannt.

Auch vor dem Haus an der Koch- Ecke Friedrichstraße wissen die vielen Leute nicht, vor wessen Mauern sie stehen. Da haben die Touristen auf ihrer Tour, die auch zum Holocaust-Mahnmal führt, fast nur Augen für das Erdgeschoss, für den großen Laden des Hauses am Checkpoint Charlie. Das erinnert auf einer großen Tafel an der Hauswand daran, dass einst an diesem Ort die westliche Welt endete.

Damals, vor 20 Jahren, baute Architekt Eisenman mit dem Kollegen Jaquelin Robertson hier sein Berliner Erstlingswerk. Ein Eckhaus mit 37 öffentlich geförderten Wohnungen, errichtet für die Internationale Bauausstellung (IBA). Wettbewerbsaufgabe war, die „historisch bedeutende Blockecke“ wiederherzustellen, einen eigenen zeitgerechten Baustil zwischen den Altbauten zu finden. Wegen der belebten Ecke, so die Vorgabe, waren Wintergärten und Schallschutzfenster vorgeschrieben. Zahlreiche Wohnungen sollten senioren- und behindertengerecht ausgestattet werden.

Wie fast alle internationalen Architekten damals hatte auch Eisenman seine Probleme mit den oft strengen Anforderungen des Sozialen Wohnungsbaus. Aber um die Planungen den örtlichen Vorschriften anzupassen, gab es Berliner Kontaktarchitekten, in diesem Fall die Büros Grötzebach, Plessow, Ehlers. So entstand nach Berliner Richtlinien ein ungewöhnlicher Bau, dessen Fassade sich teilweise leicht zur Straße neigt, dessen Zugang zur Haustür an der Kochstraße wie eine Schlucht wirkt, vielleicht schon wie ein Vorgriff auf den Gang durchs Stelenfeld des Mahnmals. Die Wohnungen werden auf der Hofseite über Gänge erschlossen. Dort ist es hell, die Wände sind aus Glasbausteinen.

Eisenman hatte noch viel mehr vor. Er wollte für die Bauausstellung auf einem der freien Nachbargrundstücke am Checkpoint Charlie eine ungewöhnliche Grünanlage errichten. Sie sollte aus Pflanz- und Steinflächen bestehen, von Türmen und Mauern unterbrochen sein, „Elemente einer ausgegrabenen Stadt“ zeigen und architektonisch auf die benachbarte Mauer eingehen. Um die Brandmauern an der Kochstraße abzudecken, wollte er vier fast haushohe Türme errichten, die an die Wachtürme von gegenüber erinnern sollten. Die Planung fiel durch, das Kreuzberger Bezirksamt fand sie „elitär und nicht brauchbar“.

Nun steht da, wo die umstrittene Grünfläche entstehen sollte, längst ein Bürohaus. Ein kleines Mauerstück im Hof vor Eisenmans Haus erinnert als Kunstinstallation an die Zeit, als hier die westliche Welt zu Ende war.

Christian van Lessen

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