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Berlin: Eisenstangen-Attacke: Nur der Werfer in Haft

Sein 21-jähriger Freund Rabih stammt aus der Familie Al-Z. Ein berüchtigter Clan, der Polizei und Justiz beschäftigt

Der Haftrichter hat Mohammed N. seine Geschichte nicht abgenommen. Er glaubt nicht, dass der 18-Jährige am Polizeiwagen nur das Blaulicht treffen wollte, als er die Eisenstange vom Balkon schleuderte. Der Haftrichter glaubt, dass Mohammed N. den 47-jährigen Polizisten ermorden wollte. Das Motiv? „Völlig unmotivierter Hass auf die Polizei“, sagt Justizsprecher Björn Retzlaff.

Deshalb wartet Mohammed N. jetzt in Untersuchungshaft auf seinen Prozess, seine Freunde Rabih Al-Z. (21) und Engin D. (18) durften hingegen nach Hause gehen. Gegen sie wird noch ermittelt, doch ihre Chancen stehen nicht schlecht, ungeschoren davon zu kommen. Auch, wenn sie den Anschlag in der Nacht zu Sonntag vielleicht gemeinsam geplant haben. Oder ihren Freund Mohammed auf dem Balkon in der Koloniestraße kräftig angefeuert haben. Retzlaff: „Das lässt sich aber nur schwer beweisen.“

Schon vor dem Anschlag waren die drei jungen Männer der Polizei bestens bekannt, wegen Diebstahls, Körperverletzung, Straßenraubes… Rabih Al-Z. – er ist im Mai 2003 wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls auf Bewährung verurteilt worden – stammt aus einer stadtbekannten Familie mit eher zweifelhaftem Ruf. Mahmoud Al-Z., auch der Präsident genannt, ist eine Größe in der Unterwelt. Er gehört nach Erkenntnissen der Polizei zu den Chefs des türkisch-libanesisch-kurdischen Milieus, das vor allem in der Türsteher-Szene aktiv ist. Ende der 90er Jahre wurde Mahmoud Al-Z. im Zusammenhang mit Drogengeschäften verurteilt.

Auch am Mittwoch wird es in Saal 820 um die Machenschaften des Al-Z.-Clans gehen: Dann wird der Prozess gegen Rabih A. (29) eröffnet, der im April 2003 in der Neuköllner Discothek „Jungle“ mit Clan-Mitgliedern in Streit geriet. Yassin Ali-K. – der Sicherheitschef vom Jungle – hat die Geschichte in einem anderen Prozess erzählt: Es ging um Ehrverletzung, gezogene Pistolen, Drohgebärden, eine Prügelei, ein Messer – bis vor der Disco einer aus dem Al-Z.-Clan schwer verletzt auf dem Asphalt zusammenbrach. Die Botschaft der Rivalen ließ zum Abschied keine Zweifel übrig. Laut Yassin riefen sie: „Ihr seid schon tot!“

Aus Angst vor Rache tauchten Rabih A. und Yassin Ali-K. zunächst unter, warteten dann darauf, dass die Clanchefs den Streit untereinander schlichten. Es ist eine Welt für sich, mit eigener Gerichtsbarkeit, in der die deutsche Polizei meist nur belächelt wird. Stattdessen verhandeln die Clanmitglieder zuweilen über Blutgeld in sechsstelliger Höhe zur Wiederherstellung verletzter Ehre.

Aber auch die deutschen Ermittler interessierten sich für die Messerstiche vor dem Jungle, suchten Rabih A. und Yassin Ali-K. wegen versuchten Mordes. Die Familienältesten verhandelten noch, als fünf Tage später ein Spezialeinsatzkommando der Polizei Yassins Wohnung stürmte – mit fatalen Folgen: Der 34-Jährige schoss um sich und tötete den SEK-Mann Roland Krüger. Seit einem Monat wird deshalb gegen Yassin Ali-K. verhandelt. Ob er wegen Totschlags verurteilt wird, scheint ungewiss. Denn der Libanese beteuert, nicht gewusst zu haben, dass er auf Polizisten schoss. Er habe geglaubt, der Al-Z.-Clan stürmte die Wohnung, um Rache zu nehmen, ihn und seine Familie zu töten. Yassin Ali-K. habe sich irrtümlicherweise in einer Notwehrsituation geglaubt, sagt sein Verteidiger Hans-Theodor Schmitt.

Und nun also Rabih Al-Z. Der 21-Jährige war Sonntag früh mit seinen beiden Freunden auf den Balkon getreten, nachdem der Polizist mit seiner Kollegin im Kiez Knöllchen geschrieben hatte. Als er auf die Kreuzung Soldiner- und Koloniestraße zurollte, durchschlug die Eisenstange das Fenster. Sie verfehlte die Halsschlagader nur knapp.

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