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Kleine Bärenpause. Brandenburger Tor, minus sieben Grad, ein Tee wärmt die Tatze.Foto: dapd/Maja Hitij

© dapd

Eiseskälte in Berlin: Dickes Fell zulegen

Warm anziehen, bald sind’s 15 Grad – minus. Die Natur stellt sich darauf ein und auch die Polizei. Und wenn der Scheibenwischertank vereist ist: ab ins Parkhaus.

Ob’s noch kälter wird? Ja, leider, das wird’s. Minus 14 Grad werden in der Nacht zu Donnerstag erwartet, tagsüber steigen die Temperaturen kaum, wärmer als zehn Grad wird’s nicht – zehn Grad minus, versteht sich. Immerhin, sagt Christoph Gatzen vom Wetterdienst Meteogroup, in der kommenden Woche steigen die Temperaturen, auch wenn es lange nicht so warm wird wie vor einigen Tagen, als die Vögel bei Frühlingswetter zwitscherten. Die Aussichten ab Montag: vier Grad Minus. Die Kälte bringt die Stadt durcheinander.

RUNTER VOM EIS!

Kaum ist es bitterkalt, wagen sich die ersten Menschen aufs Eis. Und jedes Jahr warnt die Polizei: Nein, bitte nicht betreten, das Eis trägt nicht, Lebensgefahr! Erst am Dienstag schickte sie einen Mann vom gefrorenen Weißensee, auch am Wannsee tasten sich die Ersten aufs dünne Eis. Und aus dem Wandlitzer See in Brandenburg musste die Feuerwehr bereits einen 75 Jahre alten Eissegler retten, der eingebrochen war – er überlebte, kam aber wie zwei Feuerwehrleute auch mit schweren Unterkühlungen ins Krankenhaus. Das Eis auf Schlachtensee und Krumme Lanke ist fünf Zentimeter dick, sagt Wetterexperte Gatzen. Zwar soll es in den kommenden beiden Tagen täglich zwei Zentimeter dicker werden. Aber, sagt ein Sprecher der Wasserschutzpolizei, durch Strömungen und Sonneneinstrahlungen sei die Eisdicke überall unterschiedlich. Ungefährlich sei das Wetter für die Schifffahrt, sagt Gatzen. Die Spree, derzeit noch ein Grad warm, friere erst nach zwei bis drei Wochen strengem Frost. Das war zuletzt für zwei Tage im Januar 2010 der Fall. Wer dringend Schlittschuhlaufen will: die Eisbahnsaison dauert noch bis März an – die Bahn in Wilmersdorf etwa ist oft bis 22 Uhr geöffnet.

LÄUSE STERBEN, IGEL SCHLAFEN

Gänseblümchen und Frühblüher wie der Krokus leiden unter dem Frost, weil die schützende und isolierende Schneedecke fehle, sagt Holger-Ulrich Schmidt, Leiter des Pflanzenschutzamts. Blüten, die wegen der zuvor warmen Temperaturen schon gewachsen sind – wie bei manchen Kirschen und dem Echten Jasmin –, würden erfrieren. „Die Pflanze selbst überlebt das aber“, sagt Schmidt. Hobbygärtnern rät er, empfindliche Pflanzen mit Zweigen abzudecken und Blüten einzubinden. Zur Freude der Gärtner zerstöre die Kälte Schädlinge wie Blattläuse, weil diese sich dank des milden Wetters zuvor bereits weit entwickelt hätten. Und die Fichtenröhrenlaus sterbe ab minus zehn Grad. Für den Forst sei die Kälte „nicht dramatisch“, sagt Sprecher Marc Franusch. An Haseln und Weiden hätten sich zwar Blüten gebildet, diese würden dann in diesem Jahr einfach keine Früchte und Samen bilden. Sonst sei die Vegetation im Wald noch nicht so weit. Eichhörnchen und Igel seien zwar schon unterwegs, seien aber beide noch in der Lage, ihre Winterruhe anzutreten. Dafür rechnet Franusch mit weitaus mehr Nachwuchs bei den Wildschweinen als sonst. Die hätten dank des milden Wetters bis vor wenigen Tagen noch genügend Bucheckern und Haselnüsse gefunden.

SCHLITTEN AUS DEM KELLER

Die Kälte hat auch ihr Gutes. Auf hügeligen Eisplatten, wie sie sich in den vergangenen Wintern gefährlich über die Gehwege legten, müssen die Berliner erstmal nicht balancieren. Dazu müsste es wechselnd nachts frieren und tags tauen, sagt Gatzen, das sei im Moment nicht der Fall. Mit etwas Glück könnte am Wochenende auch endgültig die Schlittensaison eingeläutet werden. „Freitags und sonnabends sind örtlich erhebliche Schneemengen möglich“, sagt Gatzen. Ob die Schneeschauer auch Berlin treffen, sei aber unsicher.

WASSER MARSCH

Den Wasserleitungen könne die Kälte nichts anhaben, sagt Astrid Hackenesch von den Wasserbetrieben. Die Rohre liegen seinen Angaben zufolge alle mindestens 1,50 Meter tief unter der Erde. Die brechen nicht so schnell. Damit die Anschlüsse in den Häusern nicht gefrieren, sollten die Berliner darauf achten, dass Keller geheizt sind, Fenster und Türen geschlossen und Leitungen nicht ungeschützt sind.

DACH STATT DECKE

Nach vielen Wintern unter freiem Himmel hat Günther G. seit vergangenem Donnerstag wieder ein Dach über dem Kopf. Die Geschichte des Obdachlosen hatte für Aufsehen gesorgt. Z. lebte 16 Jahre lang auch im Winter in einem Bretterverschlag im Fritz-Schloss-Park in Moabit. Er wurde nach Informationen des Tagesspiegels medizinisch versorgt und neu eingekleidet.

SCHLECHTE ZEITEN FÜR SALAT

Wochenmarkt am Hohenstaufenplatz in Kreuzberg: Von den sieben Händlern ist nur ein Bäckereiwagen geblieben. Der Käsehändler ist mit den Kindern im Urlaub. „Trostlos“, findet Marktleiter Klaus Dörr. „Ab minus fünf Grad bleiben die Obst- und Gemüsehändler weg.“ Ein paar Gemüsesorten wie Grünkohl seien zwar winterfest. Gefrorener Salat sei aber nicht mehr zu verwenden. „Wenn er auftaut, sieht er aus wie Spinat“, sagt Dörr, der seit 20 Jahren Berliner Wochenmärkte leitet. Nur zwei Mal sei in dieser Zeit ein Markt ausgefallen. Da war es aber tagsüber kälter als minus 20 Grad.

SHOPPEN IST SEHR SINNVOLL

„Im Winter das Auto waschen und sich dann wundern, dass das Tankschloss eingefroren ist“ – keine gute Idee, Ein Mitarbeiter der Aral-Tankstelle Rathenower Straße in Moabit schüttelt den Kopf. Einzige Lösung: Frostschutzmittel hineinträufeln und abwarten. Wenn der Scheibenwischertank an einen übergroßen Eiswürfel erinnert, weil das Frostschutzmittel vergessen wurde, sei das auch kein Grund zu verzweifeln: „Ausgiebig shoppen gehen und das Auto so lange in der warmen Tiefgarage parken“, rät der Mann von der Tankstelle.

… UND WAS MACHT DIE S-BAHN?

Für die S-Bahn sei das „eine gute Kälte“, sagt Sprecher Burkhard Ahlert. Was schlechte Kälte ist, haben die letzten Winter gezeigt: Viel Schnee, viel stürmischer Wind, blockierte Gleise und Zugausfälle am laufenden Band. Danach sehe es derzeit aber nicht aus. „Wenn sich jemand im Bahnhof aufhält, der noch keine Unterkunft für die Nacht hat, werden wir ihn nicht des Bahnhofs verweisen.“ Bei der BVG bleiben drei U-Bahnhöfe durchgehend geöffnet: Schönleinstraße, Südstern und Hansaplatz. „Wenn sie dort nicht zechen, können Obdachlose in diesen Bahnhöfen übernachten“, sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak. Doch selten kommen mehr als acht Menschen. Anders sieht es aus bei der Notunterkunft der Stadtmission in der Lehrter Straße in Moabit: In der Nacht zu Dienstag wurden 170 Wohnungslose verpflegt – Platz sei nur für 60 Menschen. Um Spenden wird gebeten: Geld, Handschuhe, dicke Socken, Kaffee.

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