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Berlin: Eiszeit im Parlament

Verhärtete Fronten nach Eklat um Verfassungsrichter Zwist in PDS über Umgang mit kritischer Personalie

So schlecht war das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition schon lange nicht mehr. Nach der misslungenen Verfassungsrichter-Wahl in der vergangenen Woche weigern sich bislang beide Seiten, aufeinander zuzugehen.

Die Linkspartei/PDS will vorerst keinen neuen Kandidaten vorschlagen, nachdem die von ihr favorisierte Juristin Evelyn Kenzler als Einzige überraschenderweise die notwendige Zweidrittel-Mehrheit verfehlte. „Wir werden mit den anderen Fraktionen darüber verhandeln müssen, wie wir eine Verlässlichkeit wiederherstellen“, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) am Freitag. Erst danach werde seine Partei sich Gedanken über neue Kandidaten machen.

Die Opposition hingegen bekräftigte den Vorwurf, man sei von der Linkspartei hinters Licht geführt worden, weil diese nicht rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass Evelyn Kenzler 1998 als PDS-Bundestagsabgeordnete eine Amnestie und Haftentschädigungen für verurteilte DDR-Funktionäre, Grenzschützer und Stasi-Mitarbeiter gefordert habe. „Sie spielten Vabanque und setzten offenkundig darauf, dass dieser Vorgang vor der Wahl nicht herauskommt“, schreibt FDP-Fraktionschef Martin Lindner in einem offenen Brief an Linksfraktionschefin Carola Bluhm. Daher trage die Verantwortung für das Scheitern der Kandidatin „ausschließlich“ die Linkspartei.

Dass die Kandidatur der 1983 in die SED eingetretenen Kenzler ein Problem sein könnte, war der PDS dabei offenbar bewusster, als bislang öffentlich zugegeben. So sagte Wirtschaftssenator Wolf gestern, die umstrittene Position Kenzlers sei „nicht unbekannt“ gewesen. Er habe sich bei seinen Parteifreunden versichert, dass dies in den Vorstellungsbesuchen Kenzlers bei den anderen Fraktionen angesprochen worden sei und dass die Opposition sie trotzdem wie verabredet wählen würde. In der PDS-Fraktion mag sich an eine solch offene Aussprache allerdings niemand erinnern. Stefan Liebich wiederum, bis vergangenes Jahr PDS-Fraktionschef, meint sich zu erinnern, schon vor zwei Jahren mit den Chefs der anderen Fraktionen über Kenzler geredet zu haben, die die PDS bereits damals als Verfassungsrichterin ins Spiel bringen wollte. Er habe die anderen Fraktionschefs gebeten, sich über Kenzler zu informieren. Harald Wolf folgert daraus, die Personalie Kenzler „konnte also für niemanden eine Überraschung sein“, zumal Liebich damals „auch auf die politische Biografie Kenzlers hingewiesen“ habe.

Dem widerspricht die Opposition. „Wir haben damals nicht über Frau Kenzler im Detail gesprochen“, sagt Nicolas Zimmer, bis letztes Jahr CDU-Fraktionschef. „Die Themen Amnestie und Haftentschädigung wurden nicht angesprochen“, bestätigt Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Auch FDP-Fraktionschef Martin Lindner ist sicher, dass vor zwei Jahren Kenzlers Biographie „nicht zur Debatte stand“. Wie Regierung und Opposition aus dem verfahrenen Streit herausfinden sollen, vermag derzeit keiner zu sagen. „Wir brauchen vertrauensbildende Maßnahmen“, sagt SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. Wie diese aussehen könnten, weiß er auch nicht.

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